
"Neue Antworten auf alte Fragen" verspricht der Verlag auf dem Cover der Autobiografie der Nationalratspräsidentin - aber bei näherem Hinsehen sind die Antworten nicht neu, sondern überraschen gerade dadurch, dass sie in einem stets nach Innovationen drängenden Umfeld grundsolide sozialdemokratische Positionen festschreiben. An einigen Stellen wirkt das sogar ausgesprochen konservativ: Wenn Prammer die qualvolle Suche nach einem Nachfolgers für den 1992 zurückgetretenen oberösterreichischen SPÖ-Chef Karl Grünner beschreibt, verurteilt sie das basisdemokratische Experiment als "vielleicht schlimmste Phase in meinem politischen Leben überhaupt" und mahnt, dass in einer Partei klare Nachfolgeregelungen Vorrang vor einer offenen demokratischen Wahl haben sollten.
Prammer rechnet auch mit jenen ab, die Quereinsteiger in die Politik holen und die "Ochsentour" verachten - und sie argumentiert oft mit dem präsidentiell abwägenden einerseits/andererseits: "Wer zu früh in ein politisches Amt kommt, tut sich zwangsläufig schwerer. Es wäre andererseits aber falsch, jungen Menschen keine Chance zu geben." Sie selbst hat um ihre Chance mehrfach kämpfen müssen - vor allem als junge Frau im ländlich geprägten Hausruckviertel, das sie immer noch als eine ihrer drei Heimaten (neben Wien und Linz) bezeichnet. Da lernte sie die "gläserne Decke" kennen, da lernte sie aber auch, sich für Gerechtigkeit zu engagieren, lange vor dem ersten öffentliche Mandat.
Auffallend ist, welche Politiker oft erwähnt (Bruno Kreisky und Viktor Klima, der sie in die Regierung holte) werden - während der aktuelle SPÖ-Chef Werner Faymann nur zwei Erwähnungen wert ist. Ohne den Kanzler in diesem Zusammenhang zu nennen, klagt Prammer über mangelnde Entscheidungsfreude in der Politik: "Die Menschen haben ein Recht auf Klarheit, und es ist fahrlässig, Dinge unnötig zu verschleppen." (Conrad Seidl, DER STANDARD, Printausgabe, 27.9.2011)