Berlin/Frankfurt - Die Auswirkungen einer Pleite Griechenlands auf andere Euro-Staaten sollten nach Ansicht von EZB-Führungsmitglied Lorenzo Bini Smaghi nicht unterschätzt werden. Wer sage, die Euro-Zone könne eine griechische Staatspleite verkraften, habe keine Ahnung von der Ansteckungswirkung, sagte Bini Smaghi. Zudem setzte sich Bini Smaghi dafür ein, dass Banken nicht völlig abhängig vom Geld der Notenbank werden. Geldinstitute müssten sich darauf vorbereiten, sich nicht nur durch die EZB zu finanzieren, sondern durch die Märkte. Zugleich verteidigte er die umstrittenen Bondkäufe der Zentralbank. Das Programm helfe den Märkten wieder, ihr Gleichgewicht zu finden.

Trotz Börsenturbulenzen und Schuldenkrise haben die Banken in der Euro-Zone im August mehr Kredite an Unternehmen und private Haushalte vergeben als erwartet. Die Summe stieg im Vergleich zum Vorjahresmonat um 2,6 Prozent, wie die Europäische Zentralbank am Dienstag mitteilte. Im Juli hatte es nur ein Plus von 2,4 Prozent gegeben. Analysten hatten für August mit einer Zunahme im selben Umfang gerechnet .

Die Unternehmenskredite legten zum Vormonat um 13 Mrd. Euro zu. Im Juli war das Volumen noch um 4 Milliarden Euro geschrumpft. Experten gehen davon aus, dass die Daten Wasser auf die Mühlen der Falken bei der EZB sind, die nichts von einer raschen Senkung des Zinsniveaus auf der Rats-Sitzung am 6. Oktober in Berlin halten.

Überzogene Erwartungen

"Die Zahlen werden im EZB-Gremium den einen oder anderen darüber nachdenken lassen, ob niedrigere Zinsen im jetzigen Umfeld schon angebracht sind", sagte Jürgen Michels, Chefvolkswirt für die Euro-Zone der Citigroup. Dennoch sei es nicht auszuschließen, dass sich die Sommer-Turbulenzen an den Märkten mit gewisser Zeitverzögerung in den nächsten Monaten auch auf die Kreditvergabe dämpfend auswirkten. Michels hält es wie andere Experten für wahrscheinlich, dass die Hüter des Euro statt einer Zinssenkung zunächst andere nicht-konventionelle Maßnahmen wiederbeleben könnten, die sich bereits in den Zeiten der Finanzkrise bewährt haben: "Dazu zählt ein Zwölf-Monatstender, mit dem sich die Banken längerfristig bei der Zentralbank mit frischem Geld eindecken können." Zudem könnte die EZB wieder ein Ankaufprogramm für Pfandbriefe und andere gedeckte Anleihen (Covered bonds) auflegen. In ein solches Programm hatte die Zentralbank bereits von Mitte 2009 bis Ende Juni 2010 insgesamt 60 Mrd. Euro investiert. "Die EZB könnte mit einer Neuauflage ein Zeichen setzen, dass sie die Banken stützt", meint Michels.

EZB-Direktor Bini Smaghi warnte jedoch vor überzogenen Erwartungen an die Notenbank: "Ab einem gewissen Punkt müssen wir verhindern, dass die Geldinstitute komplett abhängig von der Finanzierung durch die EZB werden", mahnte das EZB-Direktoriumsmitglied im Gespräch mit der "Australian Financial Review". Daher halte er auch nichts davon, den Banken unbegrenzt Liquidität auf unbestimmte Zeit zur Verfügung zu stellen. "Ich denke, es ist besser einen Zeithorizont zu nennen." Bereits jetzt habe sich die EZB verpflichtet, den Banken bis Ende des Jahres gegen Sicherheiten das von ihnen benötigte frische Geld zur Verfügung zu stellen.

Die für die Zinspolitik der EZB wichtige Geldmenge M3 erhöhte sich um 2,8 Prozent und damit weit stärker als im Vormonat mit 2,1 Prozent. "Der Anstieg des Geldmengenwachstums in der Eurozone auf den höchsten Wert seit mehr als zwei Jahren kam überraschend. Anlass zur Sorge vor einem Anziehen der Inflation liefern die heute veröffentlichten Daten angesichts des nach wie vor niedrigen Niveaus jedoch nicht", sagte Ökonom Thilo Heidrich von der Postbank. Im gleitenden Dreimonatsdurchschnitt (Juni bis August) erhöhte sich M3 um 2,3 Prozent. M3 umfasst unter anderem Bargeld, Einlagen auf Girokonten, kurzfristige Geldmarktpapiere sowie Schuldverschreibungen mit bis zu zwei Jahren Laufzeit.

Die EZB hatte im Kampf gegen die Inflation die Zinsen in diesem Jahr bereits zwei Mal auf nunmehr 1,5 Prozent erhöht. Wie das EZB-Ratsmitglied Josef Bonnici jüngst betonte, hat sich die Lage an der Preisfront jedoch mittlerweile beruhigt. Die EZB erwartet für dieses Jahr eine Teuerungsrate von 2,6 Prozent und 2012 einen Rückgang auf 1,7 Prozent. Damit würde die von der Zentralbank zur Sicherung stabiler Preise angepeilte Marke von knapp unter 2 Prozent wieder unterschritten. Da zugleich Rezessionsängste in der Eurozone aufgekommen sind, wird bereits über eine baldige Zinssenkung der EZB spekuliert. EZB-Ratsmitglied Yves Mersch hat aber betont, dazu müsse sich die "wirtschaftliche Dynamik im Euroraum deutlich verschlechtern". (APA/Reuters)