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Nach einem Streit mit Präsident Medwedew (re.) musste Finanzminister Kudrin (li.) seinen Hut nehmen. Er hatte geplante Verteidigungsausgaben von 20 Billionen Rubel als nicht tragbar kritisiert.

Foto: :RIA-Novosti, Yekaterina Shtukina, Presidential Press Service, pool/AP/dapd

Die Absetzung des russischen Finanzministers Alexej Kudrin kommt für Russland zum denkbar schlechtesten Zeitpunkt: die Konjunkturaussichten weltweit trüben sich ein, und zwei Wahlen stehen vor der Tür. Der als "Mr. Stabilität" bekannte Finanzminister habe wesentlich dazu beigetragen, dass sich Russland in den vergangenen elf Jahren von einer Bananenrepublik zu einem der besten Schuldner entwickelt habe, lautet des positive Urteil von internationalen Investoren.

Ohne die warnende Stimme aus dem Finanzministerium werde der russische Haushalt aus dem Ruder laufen, schlussendlich werde das Geld ausgehen, befürchten russische Ökonomen. "Wenn das Geld zu Ende geht, dann wird auch das jetzige politische System stürzen", prophezeien die Wirtschaftsprofessoren Sergej Gurijew und Oleg Zywinski in der russischen Tageszeitung Wedomosti.

Kudrin hatte mehrmals gewarnt, dass das von Präsident Dmitri Medwedew geplante Militärbudget von 20 Billionen Rubel (460 Mrd. Euro) für den Haushalt nicht tragbar seien. Diese Kritik am Präsidenten kostete Kudrin den Job. Medwedew forderte den Finanzminister zum Rücktritt auf. Als dieser den Rücktritt nicht einreichte, folgte die Absetzung per Präsidentenerlass.

Seitdem wird in Moskau gerätselt, warum sich Kudrin auf einen Machtkampf mit Medwedew eingelassen habe. War es eine Inszenierung oder gekränkter Stolz? Die Zeitung Kommersant berichtete in Berufung auf eine anonyme Kremlquelle, dass sich Kudrin selbst Chancen auf den Posten des Regierungschefs, den nun wahrscheinlich Medwedew einnimmt, ausgerechnet habe.

Für Verwunderung sorgte auch die Tatsache, dass Premierminister Wladimir Putin seinen langjährigen Vertrauten ohne viel Zögern geopfert hat. Dafür dürfte es wohl zwei Gründe geben. Zum einen hat die Regierung nun freie Hand beim Ausgeben von Budgetmitteln. Den bereits angekündigten Wahlgeschenken im Vorfeld der Dumawahl im Dezember und der Präsidentschaftswahl im März können so ohne großen Widerstand weitere folgen.

Zum anderen ist es Putin auch darum gegangen, die Institution der Präsidentschaft zu schützen. Auch der frühere Moskauer Bürgermeister Jurij Luschkow wurde erst entlassen, nachdem er Präsident Medwedew öffentlich angegriffen hatte. "Für Putin ist die Präsidentschaft ein Heiligtum. Ein Angriff darauf überwiegt alle vorherigen Verdienste", sagt der politische Kommentator Gleb Tscherkassow. Zumal Putin nächstes Jahr selbst in den Kreml zurückkehrt.

Dennoch wird damit gerechnet, dass für Kudrin ein entsprechender Platz gefunden wird. Vizepremier Igor Schuwalow kündigte an, dass Kudrin seine Arbeit in der Mannschaft Putins fortsetzen werde. Laut russischen Medien könnte Kudrin Chef der Zentralbank oder Putins Wirtschaftsberater werden. Zu Kudrins Nachfolger hat der Premierminister dessen Stellvertreter Anton Siluanow ernannt. Michail Remisow, Präsident des Instituts für nationale Strategie, geht davon aus, dass es dabei um eine "Übergangslösung" handelt.

Nach dem Ämterwechsel zwischen Putin und Medwedew im nächsten Frühling wird mit einer größeren Regierungsumbildung gerechnet. Industrieminister Viktor Christenko und Vizepremier Viktor Subkow, die schon seit längerem um ihre Ablöse bitten, werden der nächsten Regierung aller Wahrscheinlichkeit nicht mehr angehören. (Verena Diethelm aus Moskau, STANDARD-Printausgabe, 28.9.2011)