Raue Umgangsformen unter und von tschechischen Politikern sind nichts Neues. Dies soll keine Zensur aus einem Land sein, wo die Politik selbst auf einem vorläufigen Tiefpunkt ihres Ansehens gelandet ist, sondern eine Feststellung. In Erinnerung sind etwa Handgreiflichkeiten des seinerzeitigen Premiers Mirek Topolánek gegen Fotografen.
Jüngst hat Finanzminister Miroslav Kalousek auf offener Straße einen jungen Mann vierfach geohrfeigt, der ihn angepöbelt hatte. Kalousek versuchte nichts zu beschönigen: Er lasse sich nicht unbegründet beleidigen, und die Ohrfeigen könnten durchaus pädagogische Wirkung entfalten.
Eine Einzelwatsche wäre aus dem Affekt heraus noch verständlich - vier Stück haben eine andere Qualität. Ebenso wenig entschuldbar sind aber unqualifizierte Verbalattacken auf Politiker oder eine pauschale Politikerbeschimpfung, wie sie auch bei uns Mode geworden ist.
Kalousek hat freilich selbst politische Gegner als Idioten tituliert. Da darf er sich nicht wundern, wenn Bürger daraus einen Freibrief für noch deftigere Worte ableiten. In diesem Fall kommt noch ein Aspekt hinzu: Kalousek ist operativer Chef der Partei Top09 von Karl Schwarzenberg, die für Sauberkeit und Anstand eintritt. Der "Fürst" lässt bereits klare Ambitionen auf das tschechische Präsidentenamt erkennen. Das Verhalten seines engsten politischen Vertrauten verträgt sich schlecht damit. (DER STANDARD-Printausgabe, 28.9.2011)