Finden sich Noé (Grégoire Colin) und Joséphine (Mati Diop)?

Foto: ARTE France/WDR

Der Pariser Zugführer Lionel (Alex Descas) lebt ein zurückgezogenes Leben. Seine Wohnung teilt er immer noch mit seiner Tochter Joséphine (Mati Diop). Die beiden sind ein innig eingespieltes Team, aber Lionel fängt gerade an zu begreifen, dass sie diese kleinfamiliäre Zelle für andere öffnen müssen.

"35 Rum" (2007) von Claire Denis folgt thematisch jener Linie, die sich entlang der "kleineren" Filme "Us Go Home" und "Nénette et Boni" durch das Werk der eigenwilligen französischen Filmemacherin ziehen lässt: Denis richtet den Blick darin auf familiäre Gefüge im Umbruch, auf adoleszente Kinder und deren mehr oder weniger präsente Eltern, auf die Macht der (unartikulierten) Wünsche und auf Momente glücklicher Auflösung, die nicht selten mit Musik und tänzerischer Bewegung einhergehen. Sie baut diese beiläufigen Geschichten aus konzentrierten Beobachtungen im Detail - die hier nicht nur wegen eines prominent platzierten Reiskochers an die Vater-Tochter-Dramen des Japaners Yasujiro Ozu erinnern - und in luftig geöffneten Erzählbögen. So wird man in Denis' Filmen mit ganz vertrauten Erfahrungen konfrontiert, aber die Vertrautheit stellt sich vor allem über Atmosphären, verstohlene Blicke und Gesten ein.

Grégoire Colin, eine der schauspielerischen Entdeckungen aus den früheren Filmen, ist auch in "35 Rum" mit dabei. Mit Alex Descas hat Denis ebenfalls schon öfter gearbeitet. So erzählt dieser Film auch von der Filmfamilie, die Denis über die Jahrzehnte um sich geschart hat. Und er verkürzt aufs Schönste die Wartezeit auf ihr nächstes Projekt, von dem kürzlich beim Filmfestival in Locarno eine zwanzigminütige Videoskizze mit dem Titel Aller au diable kündete. Arte, 22.20 (Isabella Reicher/DER STANDARD, Printausgabe, 28.9.2011)