Bild nicht mehr verfügbar.

Am vergangenen Samstag wurde in Bahrain gewählt.

Foto: Hasan Jamali/AP/dapd

Die Nachwahlen zum Parlament, die am vergangenen Samstag in Bahrain stattfanden, sind nicht dazu angetan, die Spannungen in dem kleinen Golfstaat zu entschärfen. Zur Wahl standen - beziehungsweise stehen, denn am 1. Oktober gibt es eine Stichwahl - jene 18 Sitze, die seit dem Auszug der Parlamentarier der schiitischen Wifaq-Partei verwaist sind. Sie hatten sich Ende Februar aus Protest gegen die gewaltsame Niederschlagung der Reformproteste in Bahrain zurückgezogen. Vier der 18 Mandate wurden mangels Gegenkandidaten bereits zu Beginn des Nachwahlprozesses vergeben, fünf Kandidaten konnten sich am Samstag durchsetzen, neun Wahlkreise gehen in die Stichwahl.

Die Wifaq boykottiert auch die laufende Wahlrunde, die am Samstag inmitten von Protesten und deren Unterdrückung begann. Schon am Vorabend wurden Dutzende Oppositionelle verhaftet. Amnesty International protestierte zu Wochenbeginn gegen die Misshandlung von 38 Frauen und zum Teil minderjährigen Mädchen in der Haft. Die Menschenrechtsverletzungen in Bahrain werden international selten thematisiert, das Regime war bisher nur mit höflichen Aufrufen zur „Zurückhaltung" und zu „Reformen" konfrontiert. Die USA haben in Bahrain ihre 5. Flotte stationiert, was in keiner Weise in Frage gestellt wird. Auch die EU tendiert dazu, bei ihren Treffen mit dem Golfkooperationsrat (GCC) - dessen Staaten in Bahrain interveniert haben, um die Ordnung wieder herzustellen - das Thema eher höflich zu umschiffen.

Die Wifaq war mit ihren 18 Sitzen bis zum Ausbruch der Proteste die stärkste Partei im bahrainischen 40-Sitze-Parlament. Die absolute Mehrheit, die für die Schiitenpartei mit 70 Prozent schiitischen Bevölkerungsanteil in Bahrain realistisch gewesen wäre, blieb ihr durch geschicktes Gerrymandering (manipulatives Ziehen der Grenzen von Wahlbezirken) und Repression vonseiten der sunnitischen Regierung jedoch verwehrt. Die Macht des kleinen Abgeordnetenhauses, das 2002 zum ersten Mal gewählt wurde ¬- noch ohne Beteiligung der Wifaq, die jedoch 2006 und 2010 mitmachte - ist zwar gering, aber immerhin hatte das Königshaus einen bescheidenen partizipatorischen politischen Prozess zugelassen, was auch international anerkannt wurde. Eine zweite, mächtigere Parlamentskammer wird vom König ernannt.

Es ist richtig, dass die Demokratiebewegung in Bahrain hauptsächlich von Oppositionellen aus der Bevölkerungsgruppe der schiitischen Mehrheit getragen wird - was auch weiter nicht verwunderlich ist, stoßen die Schiiten doch viel mehr als die Sunniten in Bahrain, das sich in den vergangenen Jahren als Finanzplatz am Persischen Gold etablierte, an eine gläserne ökonomische, soziale und politische Glasdecke. Das sunnitische Herrscherhaus von König Hamad bin Issa Al Khalifa stützt sich auf die sunnitische Minderheit - und sucht diese durch die unkomplizierte Einbürgerung von sunnitischen Arabern aus anderen Ländern zu vergrößern, was wiederum die schiitischen Ressentiments anheizt.

Es kann nicht bestritten werden, dass etliche schiitische Geistliche in den Parteien und der Protestbewegung aktiv sind - deren Exponenten jedoch immer wieder betonten, sie hätten keinerlei Interesse an der Einführung des iranischen islamischen Systems, sondern wollten eine Demokratie modernen westlichen Zuschnitts. Bahrain gehörte früher zum persischen Reich, deshalb kommen aus dem Iran auch immer wieder revisionistische Töne., und1981 gab es in Bahrain einen schiitischen Umsturzversuch nach dem Muster der islamischen Revolution im Iran.

Dementsprechend aufgebracht reagierten die sunnitischen Golfaraber, als Teheran sich im Frühjahr die Demonstrationen unterstützend zu Wort meldete. Der Konflikt zwischen bahrainischen Sunniten und Schiiten fand daraufhin wirklich auch „am Boden" statt: Anhänger des Königshauses wandten sich gegen die Proteste, den schiitischen Demonstranten stellten sich Sunniten in den Weg, auch an der Universität kam es zu Zusammenstößen zwischen konfessionellen Studentengruppen. Letztlich kamen Sicherheitskräfte aus den Golfkooperationsstaaten der bahrainischen Armee zu Hilfe und übernahmen Polizeiaufgaben, während diese den Aufstand niederschlug. In der bahrainischen Armee dienen Söldner aus sunnitischen Ländern.

Auch im Königshaus selbst gibt es jedoch nuancierte Meinungen darüber, wie man mit den Reformwünschen und den Demonstrationen umgeht. Der als liberal geltende Kronprinz, Prinz Hamad, war Mitte März, just am Abend vor dem saudiarabischen Einmarsch, der Demokratiebewegung stark entgegengekommen. Via TV versprach er eine zweite gewählte Kammer und ein Ende des Gerrymandering und der Sunniten-Einbürgerungspolitik. Außerdem sollte die Korruption und die wirtschaftliche Ungleichheit bekämpft werden. Prompt waren am nächsten Tag die Saudis da - denen allein der Gedanke daran, dass sich eine der Golfmonarchien in eine konstitutionelle Richtung entwickeln könnte, sehr unangenehm sein dürfte. Und eine völlige Emanzipation der Schiiten ebenso - könnte das doch Vorbildwirkung für die schiitische Minderheit in Saudi-Arabien haben.

Der Iran verglich die saudi-arabische Intervention prompt mit der Besetzung Kuwaits durch den Irak unter Saddam Hussein im Jahr 1990: „Besatzung bleibt Besatzung, und das unterdrückte Volk von Bahrain wird sie immer beim Namen nennen und noch mutiger im Kampf gegen seine Besatzer werden." Ihrerseits behauptete daraufhin die bahrainische Regierung, Beweise dafür zu haben, dass schiitische Demonstranten von der schiitischen libanesischen Hisbollah trainiert worden seien.

Die Aussichten, dass sich die Lage beruhigt, sind düster. Eine „echte Demokratie", wie sie die Opposition fordert, würde auf längere Sicht ein Ende der sunnitischen Herrschaft in Bahrain bedeuten, was nicht nur das Königshaus, sondern auch die Nachbarn nicht zulassen werden. Zwar wurde versucht, während der vergangenen Monate etwas zerschlagenes Porzellan zu kitten - so wurden Untersuchungskommissionen eingesetzt und die Wiedereinstellung von entlassenen Schiiten dekretiert (was oft nicht umgesetzt wird). Aber auch die Repression bleibt präsent, zu viele Demonstranten und Aktivisten sitzen noch im Gefängnis, in Prozessen fassen die Angeklagten meist harte Urteile aus. Und die internationale Gemeinschaft handelt sich einmal mehr den Vorwurf von „double standard" ein: Solange der Kalte Krieg zwischen den Golfarabern und dem Iran am Persischen Golf andauert, ist für arabische Schiiten kein arabischer Frühling vorgesehen. (Gudrun Harrer, derStandard.at, 27.9.2011)