Österreichs Katholiken sind nach der Freiburger Rede des Papstes de facto verpflichtet, das Volksbegehren gegen Kirchenprivilegien zu unterstützen. "Die von ihrer materiellen und politischen Last befreite Kirche kann sich besser und auf wahrhaft christliche Weise der ganzen Welt zuwenden, wirklich weltoffen sein. Sie kann ihre Berufung zum Dienst der Anbetung Gottes und zum Dienst des Nächsten wieder unbefangener leben. Die missionarische Pflicht, die über der christlichen Anbetung liegt und die ihre Struktur bestimmen sollte, wird deutlicher sichtbar." Zitat Joseph Ratzinger. Na dann, auf zur Unterschrift, liebe Katholiken. Nehmt euren Chef beim Wort.
Schwindender Einfluss
Wie kann dieser "päpstliche Auftrag" umgesetzt werden? Eine Forderung hierzu: Die Kirche soll von der "materiellen Last" ungerechtfertigter staatlicher Zuschüsse in Milliardenhöhe befreit werden. Ebenso soll die Befreiung von der politischen (wie auch materiellen) Last und den schwindenden Einfluss in den öffentlichen Schulen umgesetzt werden.
Meinem Aufruf (Volksbegehren gegen Kirchenprivilegien) liegt ein weltlich motiviertes Engagement zu Grunde, das einem Verständnis eines modernen, liberalen und demokratischen Rechtsstaats auf internationalem Niveau entspricht . Aber, wenn eine andere Perspektive, die missionarisch-geistliche, zum gleichen Ergebnis führt, wollen wir nicht darüber streiten. Der Papst selbst darf als Ausländer leider nicht unterschreiben, aber er hat ja hier geschätzte fünfeinhalb Millionen Anhänger, funktionale Agnostiker vulgo Taufscheinkatholiken eingerechnet. Die können das jetzt mit gutem Gewissen für ihn übernehmen und damit eindeutig demonstrieren, dass sie ihn ernst nehmen.
Privilegien aus Feudalzeiten
Von der offiziellen katholischen Kirche in Österreich und ihren politischen Anhängern ist das leider nicht zu erwarten. Sie haben bisher alles getan, um Initiativen für eine klare Trennung von Staat und Kirche zu blockieren.
Vielleicht stößt sich die katholische Kirche daran, dass wir nicht nur sie, sondern alle Religionsgemeinschaften in Österreich, "entweltlichen" wollen. Dann wäre der missionarische Wettbewerbsvorteil weg, wenn diese sich auch finanziellen und politischen Ballasts entledigen müssten. Dann sind sie alle gleich vor den Menschen. Oder vielleicht weiß die offizielle katholische Kirche, dass der Ruf nach "Entweltlichung" bestenfalls ein abstrakter Gedankengang ist und nur eines nicht ist: Die Forderung, kirchliche Privilegien aus Feudalzeiten abzuschaffen. In dem Fall könnte man den sprachlich eindeutigen Papst-Aufruf als zumindest doppelbödig bezeichnen. Als Signal, über Bescheidenheit zu schwafeln und Laizität weiter zu blockieren. Und die Glaubwürdigkeit der katholischen Kirche schwindet weiter. Ganz ohne wundern. (Leser-Kommentar, Niko Alm, derStandard.at, 30.9.2011)