Hamburg/Hannover - Der auch in Österreich aktive Finanzdienstleister AWD hat in seinem Heimatland Deutschland offenbar massiv gegen Provisionsregelungen verstoßen, berichtet der Radiosender NDR Info laut Vorabmeldung vom Mittwoch. Demnach wurden vor und auch nach dem Börsengang des Konzerns im Jahr 2000 bei zahlreichen vom AWD vermittelten geschlossenen Fonds insgesamt mehr als 15 Prozent Vergütung bezahlt. Nach geltender Rechtsprechung hätte eine Provision von mehr als 15 Prozent den Kunden jedoch laut NDR zwingend mitgeteilt werden müssen. Der Konzern dementiert vehement.
Der österreichische Verbraucherschützer Peter Kolba vom Verein für Konsumenteninformation (VKI) indes sieht sich durch den NDR-Bericht bestätigt. "Die Kunden wurden nie darüber aufgeklärt, welche Provisionen der AWD bezogen hat", so Kolba. "Der AWD hat - so sagen Insider - von den verschiedenen Emittenten verschieden hohe Provisionen kassiert." Damit werde klar, weshalb bestimmte Produkte - etwa Immofinanz und Immoeast - derart forciert worden seien.
Massenhaft Verluste
In Österreich hat AWD Immoeast- und Immofinanz-Aktien in großem Stil an den Mann und die Frau gebracht. Infolge von mutmaßlichen Malversationen durch das frühere Management des Immobilienkonglomerats ist der Wert der Papiere im Jahr 2008 jedoch um rund 90 Prozent abgesackt. Tausende Kleinanleger haben Verluste erlitten, viele zogen auch gegen den AWD vor Gericht. Der Vorwurf: Das Papier sei zu Unrecht als sichere Anlage verkauft worden. Der VKI hat deswegen fünf Sammelklagen gegen den Finanzberater eingebracht. Der AWD hat den Vorwurf der systematischen Fehlberatung stets bestritten.
Auch in seiner Heimat muss sich AWD nun mit der Vergangenheit herumschlagen. Die jüngsten Vorwürfe betreffen laut NDR mehr als 20 Fondsprodukte, die der AWD um die Jahrtausendwende vertrieben hat. Ehemalige AWD-Mitarbeiter hätten dies dem Hamburger Rechtsanwalt Rolf W. Thiel eidesstattlich bestätigt. "Wir sind damit selber vom AWD hintergangen worden, weil wir unsere Kunden unwissentlich falsch beraten und gegen unsere Pflichten verstoßen haben", zitiert der Sender einen ehemaligen Direktor des Unternehmens. Der lukrative Verkauf von geschlossenen Fonds sei um die Jahrtausendwende ein wichtiger Baustein für den Börsengang des AWD gewesen. "Es wurden nicht Produkte für die Kunden gesucht, sondern Kunden für die gewinnbringenden Produkte. Das war eine brutale Vertriebspraxis", so Anwalt Thiel.
Die Vorwürfe seien für den AWD brisant: Viele geschädigte Kunden könnten damit noch Chancen erhalten, erfolgreich gegen den Finanzkonzern vorzugehen. "Das könnte für den AWD und seinen Mutterkonzern Swiss Life sehr teuer werden", meint Rechtsvertreter Thiel. Laut ARD-Magazin "Panorama" haben zehntausende AWD-Kunden mit geschlossenen Fonds hohe Verluste gemacht, Ex-AWD-Chef und Firmengründer Carsten Maschmeyer sprach hingegen zuletzt nur von "manchen Fällen".
VKI sieht sich bestätigt
Der AWD dementierte heute prompt. "Der Vorwurf, AWD habe für die Vermittlung von Gesellschaftsanteilen 'mehr als 15 Prozent Provision erhalten', ist falsch", hieß es in einer Aussendung. "Unabhängig von der NDR-Berichterstattung geht AWD gegen solche unwahren Behauptungen vor", ließ die AWD Holding AG weiters wissen. "Mehrere" bereits erlassene Einstweilige Verfügungen deutscher Gerichte bestätigten die Rechtsposition von AWD. "Um Transparenz in der Frage der Provisionszahlungen zu schaffen", habe man diese Dokumente nun auf der Firmenhomepage veröffentlicht.
Verbraucherschützer Kolba unterdessen verwies auf die Aussage von Gerd Lehner, 1992 erster Geschäftsführer des AWD in Österreich, in der Zeitschrift "Gewinn" Anfang Februar 2009: "Wenn man alles zusammenzählt, wurden manche österreichische Immobilienaktien mit einer Marge von 16 Prozent verkauft", wird Lehner darin zitiert. VKI-Chefjurist Kolba: Mit den nunmehrigen NDR-Bericht werde diese Aussage plausibel. (APA)