Wien - Der Rechnungshof (RH) kritisiert, dass sich ÖBB und Verkehrsministerium in Sachen Nebenbahnen bzw. deren Finanzierung bisher um (potenziell brisante) Entscheidungen gedrückt haben und meint, dass am Land unter bestimmten Umständen eine Busverbindung einer Bahnlinie vorzuziehen sei. Der (negative) "Kaufpreis" für den 2010 erfolgten Verkauf von 28 Nebenbahnen an Niederösterreich ist für die Prüfer nicht nachvollziehbar, geht aus einem am Mittwoch veröffentlichten RH-Bericht hervor.
Der Rechnungshof hatte im Mai und Juni 2010 das ÖBB-Nebenbahnnetz durchleuchtet, dessen genauer Kostenpunkt nicht eruierbar ist. Allein die Infrastruktur des Nebenbahnnetzes kostet die öffentliche Hand (d.h. hauptsächlich den Bund) aber jedes Jahr 100 Mio. Euro an Investitionen.
Die ÖBB hatte davor mehrfach die Situation analysiert und u.a. Kriterien entwickelt, welche Strecken eingestellt/abgegeben werden sollten, aber mit Ausnahme der Vereinbarung mit Niederösterreich noch kaum etwas umgesetzt: "Der RH kritisierte, dass sich die ÖBB-Unternehmensgruppe zwar seit Anfang 2009 mit der Frage der Systemadäquanz (...) auseinandersetze, jedoch auch zur Zeit der Gebarungsüberprüfung keine grundsätzlichen Beschlüsse der verantwortlichen Gremien zur Frage der Beibehaltung bzw. Einstellung/Abgabe von schwach ausgelasteten Strecken vorlagen."
Zielnetzvereinbarung
Dies liegt nach Meinung des Rechnungshofes auch daran, dass das Verkehrsministerium nicht ausreichend klargemacht hat, in welchem Ausmaß es eine flächendeckende Schieneninfrastruktur erhalten möchte und auch zu finanzieren bereit ist. Aus diesem Grund sollten Ministerium und ÖBB Infrastruktur eine "Zielnetzvereinbarung" schließen, wird angeregt. Um einen effizienten Mitteleinsatz zu gewährlisten sollten Verkehrsministerium und ÖBB entscheiden, welche Strecken eingestellt/abgegeben werden sollten.
Der "Kaufpreis" von 15 Mio. Euro, den Niederösterreich bei der Übernahme der Nebenbahnen der ÖBB gezahlt hat, ist von Investitionszusicherungen der ÖBB in Höhe von 72,5 Mio. Euro, einer Subventionszusage des Bundes in Höhe von 45 Mio. Euro sowie Aufträgen für Bahndienstleistungen in Niederösterreich begleitet gewesen.
"Qualifizierte Berechnungsgrundlagen zur Ermittlung des Kaufpreises und des Kostenbeitrages konnte die ÖBB Infrastruktur AG nicht vorlegen", so der RH. Um den Preis beurteilen zu können, wäre "zumindest eine überschlagsmäßige Bewertung" der losgeschlagenen Grundstücke sowie eine Aufstellung der geplanten Investitionsvorhaben notwendig gewesen.
Grundsätzlich halten die Prüfer fest, dass es bei der Bahn bestimmte Systemvorteile gibt, "für die Erschließung von schwach besiedelten oder stark zersiedelten Räumen, d.h. bei geringem Fahrgastpotenzial ist der Bus der Bahn wohl aus Kostengesichtspunkten, aber auch bei umweltbezogener Betrachtung vorzuzuziehen". (APA)