
Mit der Ausstellung "Angelo Soliman - ein Afrikaner in Wien" ergründet das Wien-Museum dessen Geschichte und zeigt auf, wie wenig sich der Umgang mit Fremden geändert hat.
Wien - Angelo Soliman, ausgestellt im kaiserlichen Naturalienkabinett: Dass und wie er dort stand, war eine Beleidigung seiner Person und seiner Freunde. Es war ein Schlag gegen die Aufklärung, deren Sonne gerade aufging. 1797, ein Jahr nach seinem Tod, wurde der "fürstliche Hofmohr" ausgestopft in einen Kasten gestellt, nicht in Liechtenstein'scher Livree, sondern als halbnackter wilder Mann mit Glasperlen und Federschmuck. "Als wollte man an höchster Stelle zu verstehen geben", sagt Philipp Blom, "gut, er war getauft, er war gebildet, er hat's geschafft, aber eigentlich war er nur ein Neger."
Der Historiker Blom hatte die Idee, um die Biografie des Soliman einen Abschnitt der politischen und kulturellen Geschichte Wiens zu rekonstruieren. Das Moment der Karriere interessierte ihn, Fragen der Anpassung und Spekulationen über Selbstverleugnung. Solimans Biografie sieht er eingebettet in Sklavenhandel, teilweiser Emanzipation und schließlich Gegenaufklärung - ein Faden, der bis in die Gegenwart hält.
Das Konzept wuchs zur Ausstellung Angelo Soliman - ein Afrikaner in Wien , die nun im Wien-Museum eröffnet wurde. Mit Direktor Wolfgang Kos und Eva-Maria Orosz erarbeitete Blom eine Gratwanderung zwischen Fakten und Objekten, mutmaßlichen Zuordnungen, Fantasien und Mythologien. "Manche Aspekte an seinem Leben sind ausgezeichnet dokumentiert. Wir wissen, was er angehabt hat, von welchem Schneider es war und was es gekostet hat. Aber wir wissen kaum, was in seinem Kopf vorgegangen sein mag, und fast nichts über die Zeit vor Wien", sagt Blom
Vermutlich wurde Soliman um 1721 in der Sahelzone, dem damaligen Kanembornu-Reich, geboren und als Kindersklave nach Messina verkauft. Wahrscheinlich nach der dortigen Familie Sollima und möglicherweise in Anlehnung an den türkischen Sultan Suleiman kam er zu seinem späteren Namen. Von Italien kam der Halbwüchsige in den Dienst der Lobkowitz und wurde schließlich Kammerdiener und Erzieher beim Fürsten Liechtenstein.
Es spreche einiges für die Ansicht, sagt Blom, dass Soliman das Produkt einer kolonialistischen Kultur ist; Artefakte der zeitgenössischen Haltung gegenüber den "Mohren" leiten auch die Schau ein. "Aber das Opferdasein definiert Soliman nicht. Er musste zwar bei Liechtensteins eine bestimmte Livree tragen, durfte nicht fahren, wohin er wollte, durfte nicht heiraten, wen er wollte - aber das galt auch für Joseph Haydn. Das war der Feudalismus."
Innerhalb dieses Systems provozierte er den Rausschmiss, weil er doch heiratete. Er hatte mit seiner Frau ein Kind, Glück im Spiel, wurde reich, verarmte wieder, wurde Hauslehrer des nächsten Fürsten bei dreifachen Bezügen.
Die Ausstellung zeigt anhand von Dokumenten, Objekten und Bildern, wie es dem gebildeten Afrikaner gelang, in der Gesellschaft zu reüssieren - bis zu einer nicht unwichtigen Rolle bei den Freimaurern, bei denen er ziemlich sicher auch Mozart kennenlernte: "Wir sehen ein Ringen um Autonomie und den Versuch, ein eigener Mensch zu werden".
Klischees und Rassismus
Blom betont die Ambivalenz dieser Karriere, und er sieht das Gestalten der Ausstellung als transparent subjektiven Prozess. Man solle nachvollziehen können, aus welcher Perspektive das Thema angegangen wurde. Für ihn wurden Erfahrungen mit heute in Wien lebenden Afrikanern wesentlich. Ihre auf Videos festgehaltenen Erzählungen sind ein Parcours durch Klischees und Rassismen bis in die Gegenwart.
Auch hier ringen Menschen um Autonomie: "Menschen anzutreffen, die über ein Jahrzehnt hingehalten werden, ohne einen Asylbescheid zu bekommen, das ist eines demokratischen Staates nicht würdig. Sie dürfen kein Geld verdienen, keine Familie gründen, nicht arbeiten, nirgendwohin."
Angelpunkt im Wien-Museum ist der rekonstruierte Kasten, in dem der auf den Wilden reduzierte Soliman nur angedeutet ist. Die wirkliche Figur - vermutlich der Schlag des reaktionären Franz II. gegen den Vorgänger und Aufklärer Joseph II. - stand ein halbes Jahrhundert im Kabinett und auf dem Dachboden. 1848 ist sie in den Wirren der Revolution ein Raub der Flammen geworden: "Ein Akt", sagt Blom, "poetischer Gerechtigkeit." (Michael Freund / DER STANDARD, Printausgabe, 29.9.2011)