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Gas ist für Russland ebenso geostrategisch bedeutsam wie lukrativ. Dementsprechend eng abgestimmt sind Premier Putin (rechts) und Gasprom-Chef Miller. Die Interessen des Monopolisten werden von Moskau auch in Brüssel verfochten.
Razzien bei Gaskonzernen wegen Kartellverdachts lassen den Chef des Energiemarktaufsehers E-Control, Walter Boltz, hoffen. Langfristige Lieferverträge mit der russischen Gasprom und fehlender Wettbewerb seien für überhöhte Preise verantwortlich, sagt der Regulator im Standard-Gespräch. Im Vergleich zu Deutschland zahlten heimische Verbraucher um 400 Millionen Euro im Jahr zu viel für ihr Gas. Die Situation verschärft sich durch neue Preiserhöhungen, die etwa in Wien, Niederösterreich und dem Burgenland per ersten Oktober erfolgen werden.
Am Mittwoch kam es neuerlich zu Hausdurchsuchungen der EU-Wettbewerbsbehörde in Österreich, insgesamt wird in zehn Ländern ermittelt.
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Moskau/Wien - Das Zauberwort heißt take or pay. Russland hat mit den meisten Gaskunden Verträge konzipiert, bei denen man auch bei Nichtabnahme - etwa weil die Nachfrage zu gering ist - zahlen muss. Diese Verträge werden sehr langfristig - bis zu 30 Jahre - geschlossen, der Preis richtet sich nach den Öl-Notierungen. Oft ist der Energieträger viel billiger erhältlich, weil die Partner zu hohe Mengen bestellt haben oder weil andere Kanäle wie Flüssiggas zur Verfügung stehen.
Dass die EU-Wettbewerbsbehörde deshalb gegen den russischen Großanbieter Gasprom und viele seiner europäischen Abnehmer vorgeht, dürfte mit dieser Praxis zu tun haben. Abgerundet wird das monopolistische Verhalten mit gebietsschutzartigen Maßnahmen und Preisdifferenzierungen, meine Kartellexperten. So liefert Gasprom nur für Deutschland bestimmtes Gas um zehn bis 15 Prozent billiger als nach Österreich, obwohl die Pipeline durch österreichisches Gebiet führt.
Wer Mehrkosten aus den Take-or-Pay-Verträgen schultern muss, beschreibt die österreichische Gasprombank-Tochter Centrex in ihrem Geschäftsbericht 2010 selbst. "Der steigende Ölpreis machte Gas aus langfristigen Importverträgen immer teurer", steht dort zu lesen. "In ganz Europa konnten die Abnahmeverträge kaum eingehalten werden, sodass Zahlungsverpflichtungen der Importeure entstanden sind", schreibt der Centrex-Vorstand. Die konnten allerdings auf die "regionalen Versorger und Stadtwerke abgewälzt werden".
Für Energiemarktaufseher Walter Boltz besteht ein Zusammenhang zwischen den überhöhten Gaspreisen in Österreich und der Dominanz dieser Langfristverträge, die "mit dem heutigen Marktgeschehen nicht mehr vereinbar" sei. Lege man den deutschen Großhandelspreis auf Österreich um, würde dies für die Endabnehmer eine Ersparnis von 400 Mio. Euro bedeuten. Boltz setzt nun große Hoffnungen in die EU-Kommission, von der schon in der Vergangenheit wichtige Schritte zur Marktöffnung ausgegangen seien.
Die Centrex wurde bei europaweiten Razzien Dienstag und Mittwoch ebenso gefilzt wie die OMV und die Econgas, in Deutschland sind u. a. E.On und RWE mit Hausdurchsuchungen konfrontiert. Auch wenn sich die OMV nicht im Zentrum der Ermittlungen sieht, könnte es für die Gasprom-Partner eng werden. Sollten die Verträge als Preisabsprachen qualifiziert werden, drohen auch den Abnehmern des Gases Strafen von bis zu zehn Prozent des Umsatzes.
Laut der offiziellen Stellungnahme von Gasprom handelt es sich bei den Durchsuchungen um eine Wiederholung einer bereits durchgeführten Überprüfungen von Gasprom-Tochtergesellschaften in Europa. Gasprom betont, dass die Tatsache einer Überprüfung noch nicht bedeute, dass es einen Verstoß gegen die Antimonopolgesetzgebung gebe. Man werde mit den EU-Behörden kooperieren, hoffe aber, dass das berechtige Interesse von Gasprom und seinen Töchtern gewahrt bleibe, heißt es weiter.
Im Falle einer Verurteilung droht Gasprom nach Ansicht von Gasexperten Michail Kortschemkin eine Strafe von 900 Millionen bis 2,7 Milliarden US-Dollar. Wurden die Wettbewerbsbedingungen im Laufe von mehreren Jahren verletzt und litten mehrere Branchen darunter, dann könne die Buße von zehn auf 30 Prozent des Jahreserlöses erhöht werden.
In Russland geht man jedoch davon aus, dass es zu keiner Verurteilung Gasproms kommen werde. Es gehe viel eher darum, Druck auf Gasprom auszuüben, weil Europa seine Risiken diversifizieren wolle, sagte Walerij Petrow, Gasexperte des Institutes der Entwicklung der Finanzmärkte im Radio. (Verena Diethelm, Andreas Schnauder, DER STANDARD, Print-Ausgabe, 29.9.2011)