"Es bleibt erst mal schwierig": Matthias Müller-Blumencron ("Der Spiegel")

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Stefanie Hauer ("Die Zeit")

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Thomas Kralinger ("Kurier")

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Eugen A. Russ (Vorarlberger Medienhaus)

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Michael Grabner (Grabner Media)

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Wolfgang Bretschko (Styria)

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Wien - "Nicht alles, was nett aussieht, muss ein gutes Geschäft sein": Das lernte Wolfgang Bretschko mit viel Aufwand in den vergangenen zehn Jahren mit dem Versuch, die Post auszustechen. 2010 dann gab die Styria Media Group ("Kleine Zeitung", "Die Presse", "Wirtschaftsblatt") ihren Postdienst Red Mail auf.

Styria-Vorstand Bretschko schließt daraus bei den Medientagen, als es um Geschäftsfelder abseits des Verlegens geht: "Sehr genau achten, entlang von Kernkompetenzen zu diversifizieren." "Klar fokussieren, nicht alles gleichzeitig wollen." Und "noch mehr Mut, Dinge auch wieder zu beenden, wenn sie nicht funktionieren. Es ist viel leichter, etwas zu beginnen, als aufzuhören; engagieren leichter als kündigen."

Das musste er, als Postgesetz von 2010 "auf absehbare Zeit keine Liberalisierung des Marktes und keine Nischen" brachte. Medienberater Michael Grabner, für Holtzbrinck in Deutschland aktiv: "In Österreich sind die Rahmenbedingungen durch die Doppelbesetzung mit Post und (ihrer Tochter) Feibra etwas schwierigere. Das gleiche Modell in Deutschland würde zur kartellrechtlichen Schließung sämtlicher Postgebäude führen. Aber in Österreich ist das eben ein wenig anders."

Zum "Mut zum Scheitern" hat auch "Kurier"- und Mediaprint-Geschäftsführer Thomas Kralinger etwas zu sagen: Dieses Risiko "muss man in Kauf nehmen", wo sich Medien wie "keine andere Branche in den letzten Jahren derartig neue Wege erschlossen haben, ihre Produkte zu verbreiten".

Welt macht mobil

Schon ist das Podium bei bezahlten Web-Inhalten, bei mobiler Nutzung und beim iPad, allesamt große Hoffnungen von Medien. "Rund 1000 Zeitungen" verkauft der "Kurier" laut Kralinger pro Monat über Apples Wunderflunder.

Zur Generalmobilmachung rüstet Eugen A. Russ, Chef des Vorarlberger Medienhauses. "Weil die Welt hinmigriert zu Mobile", also zu mobiler Mediennutzung über iPhone und andere smarte Geräte, sieht er die Branche vor einer ähnlichen Zäsur wie in den Neunzigerjahren, als das Internet rief. Russ zur nächsten, mobilen Zäsur: "Wir müssen zur Kenntnis nehmen, dass in zwei Jahren das Web ziemlich tot ist, spätestens in drei Jahren. " Mobil könne man mit News alleine eher einpacken.

Nachrichten machten dort nur "zehn Prozent dessen aus, was die Menschen wollen", sagt Russ. 90 Prozent wären "reine Services": "Wo isst man am besten? Wo steht die nächste Radarfalle? Wo gibt's ein Verkehrsproblem? Wie hoch liegt wo Schnee? Wie wird das Wetter in der nächsten halben Stunde oder im Skigebiet?"

Und doch sieht Russ "keinen großen Pessimismus für Print". Aus einer kommoden Perspektive: Mit seinen Printprodukten erreicht er jede Woche 95 Prozent der Vorarlbergerinnen und Vorarlberger, 97 Prozent junger Menschen dort, rechnet er vor.

Nicht die einzige numerischen Einsicht dieser Debatte:

  • "Die Zeit" zum Beispiel setzt 111 Millionen Euro mit Wochenzeitung und Magazinbeilage um, 33 Millionen mit Zusatzgeschäften wie Konferenzen, Reisen oder Zeit Akademie, berichtete Verlagsleiterin Stefanie Hauser.
  • "Spiegel Online" setzt laut "Spiegel"-Chefredakteur Matthias Müller-Blumencron im Jahr rund 25 Millionen Euro mit Werbung um und beschäftigt 150 Mitarbeiter, woraus Medienberater Grabner gleich etwa 70 Prozent Personalkostenanteil überschlägt.
  • Das "Wirtschaftsblatt" schrieb 2005 4,7 Millionen Euro Verlust bei rund 18 Millionen Umsatz, berichtet Hans Gasser, der die Geschäfte dort seit 2006 führt. Heuer hofft er, auch mit digitalen Medien den Breakeven zu schaffen.

Dafür liefert "Zeit"-Managerin Hauer ein Schlusswort: "Es bleibt erst mal schwierig. Aber es entwickelt sich." (fid/DER STANDARD, Printausgabe, 29.9.2011)