Diskutierten über Online-Foren (von li. nach re.): Barbara Liegl, Geschäftsführerin von ZARA, Moderatorin Daniela Kraus (Forum Journalismus und Medien Wien), Gerlinde Hinterleitner, derStandard.at, Sprachwissenschaftler Jürgen Spitzmüller, derStandard.at-Userin Stefanie Klamuth und Kulturwissenschaftler Alexander Preisinger.

Foto: Mascha Dabić

"Das Online-Forum des STANDARD ist faszinierend. Eine der aktivsten Communities, die in ihrer Zusammensetzung sehr heterogen ist. Vom Universitätsprofessor bis zum Schulabbrecher ist alles dabei." Zu diesem Schluss kommt Alexander Preisinger, Kulturwissenschaftler von der Universität Wien, der an einer diskursanalytischen Untersuchung der Online-Postings auf derStandard.at beteiligt war und vorläufige Ergebnisse bei einer Podiumsdiskussion am 28. September im Wien präsentierte.

Die Wissenschaftler haben sich in Zusammenarbeit mit Schülern auf das Ressort "Integration" konzentriert und in erster Linie nach rechtsradikalen und diffamierenden Postings Ausschau gehalten. Preisinger hob einerseits die demokratiepolitische Dimension des Forums lobend hervor, kritisierte andererseits den Umgang des Mediums mit dem Forum: "Die Redakteure der 'Zeit Online' und der FAZ bringen sich viel stärker ins Forum ein und beantworten viele Wortmeldungen der User." Auf diesen Vorwurf konterte Gerlinde Hinterleitner, Geschäftsführerin von derStandard.at, mit dem Hinweis auf die ungleich größere Menge an Postings: Während die "Zeit Online"-Redaktion 15.000 Postings pro Woche zu bewältigen hätte, würden beim derStandard.at täglich 16.000 Postings einlangen, die mit Hilfe einer Software, aber auch "händisch" von den einzelnen Redakteuren auf etwaigen verhetzenden Inhalt hin überprüft und ausgesiebt werden müssten.

"Keine einfache Lösung"

Hinterleitner räumte jedoch ein, dass es in Bezug auf Postings diskriminierenden Inhalts keine einfache Lösung gäbe: "Das Forum für einzelne Artikel oder an gewissen Tagen zu sperren, ist keine Lösung. Die Poster, die ihre Meinung loswerden wollen, gehen dann einfach woanders hin und treffen sich dort."

Der Sprachwissenschaftler Jürgen Spitzmüller von der Universität Zürich führte ins Treffen, dass in Online-Foren lediglich Meinungen artikuliert würden, die es ohnehin in der Gesellschaft gäbe, die früher jedoch unsichtbar geblieben wären. "Eine Demokratie muss das aushalten", betonte Spitzmüller und legte den Fokus auf die Publizität, die durch das Internet erzielt würde: "Mit einer Kritzelei auf einer Klowand konnte man früher fünfzig Leute erreichen. Heute sind der Verbreitung durch das Web keine Grenzen gesetzt." 

"Worte sind Taten"

Barbara Liegl, Geschäftsführerin von ZARA (Zivilcourage und Anti-Rassismus-Arbeit), warf die Frage nach dem Mehrwert der Online-Postings auf: "Was bringen wiedergekaute oder neue Vorurteile der Gesellschaft für ein gedeihliches Zusammenleben?" Liegl fügte auch hinzu, dass Diskriminierung auch dann statt finde, wenn sie nicht strafrechtlich relevant sei: "Worte sind Taten", so Liegl. Anschließend betonte sie, dass auch die Schule in die Pflicht genommen werden müsste: "Den Schülern wird keine Diskussionskultur beigebracht und auch kein Bewusstsein für Rassismus vermittelt". Aber auch die Journalisten selbst müssten sensibler mit Sprache umgehen - Liegl bescheinigte den Redaktionen mangelnde Diversitätskompetenz. 

Keine Klarnamen

In einem Punkt waren sich alle Diskussionsteilnehmer einig: Die Verwendung von Klarnamen in Foren ist nicht sinnvoll. Stefanie Klamuth, Userin im derStandard.at-Forum, wies auf soziale Einschränkungen hin, die bei einer verordneten Verwendung von Klarnamen zum Greifen kämen. Außerdem müsste man selbst für weit zurückliegende und längst überholte eigene Meinungen geradestehen, denn: "Das Internet vergisst nie", so Klamuth. 

Unmittelbares Feedback

Abschließend betonte Hinterleitner, dass das Online-Forum durchaus eine eigene Qualität für die Arbeit der Redaktion generiere: "Die Journalisten bekommen unmittelbares Feedback zur eigenen Arbeit, man wird unter Umständen auch korrigiert. Das war früher nicht möglich. Wenn man sich als Journalist auf diese Unmittelbarkeit einlässt, wird man runtergeholt vom hohen Ross und steht auf Augenhöhe mit dem Leser."
Auch Preisinger schlug in die gleiche Kerbe und formulierte die Empfehlung an die Redaktionen, verstärkt auf die User-Community zuzugehen, deren Angebote zu nutzen und Klasse statt Masse zu fördern. (Mascha Dabić/derStandard.at, 29. September 2011)