"Woher haben Sie das, Sir"? Eine Gegenfrage, gestellt von Irans erratischem Präsidenten in einem Interview mit Nicholas Kristof von der New York Times, beschäftigt die Ahmedinejadologen: Wusste Mahmud Ahmadi-Nejad nun wirklich nicht, was der Chef der Iranischen Atomenergieorganisation ein paar Wochen zuvor gesagt hatte, oder wollte er es nicht wissen? Es wäre ja nicht einmal das erste Mal, dass Ahmadi-Nejad nukleare Alleingänge versucht - nota bene ist der große Buhmann des Westens dabei derjenige in der iranischen Führung, der den stärksten Wunsch zu haben scheint, in nuklearen Angelegenheiten mit der internationalen Gemeinschaft ins Geschäft zu kommen. Einmal schien es schon so weit zu sein. Aber sowohl die noch radikaleren Kräfte rechts von ihm als auch die Opposition, die sich in dieser Frage ebenso nationalistisch gebärdet, rannten dagegen an und beschuldigten Ahmadi-Nejad des "Ausverkaufs der iranischen Interessen".

Und nun orten einige Beobachter wieder einen Vorstoß Ahmadi-Nejads. Irans Atomchef Fereydoun Abbasi-Davani hatte Ende August in einem Interview mit der iranischen Nachrichtenagentur Irna dargelegt, dass die Pläne für einen „Fuel-Deal" vom Tisch seien: Teheran werde nicht mehr darüber verhandeln und sei nicht mehr daran interessiert, Nuklearbrennstoff für seinen kleinen Teheraner Forschungsreaktor (TRR - in dem Isotopen für medizinische Zwecke hergestellt werden) vom Ausland zu bekommen und dafür einen Teil seines niedrig angereicherten Urans (LEU) aufzugeben. Abbasi-Davani betonte, Iran habe jetzt genügend auf 20 Prozent angereichertes Uran, um damit den benötigten Brennstoff selbst herstellen zu können - wobei er allerdings zugab, dass sich die geplante Brennstoffproduktion, die laut Plan bereits laufen sollte, verzögert habe. Aber bald werde man so viel produzieren, dass man sogar exportieren könnte.

Ahmadi-Nejad hingegen sagte im NYT-Interview folgenden Satz: „Wenn sie uns das 20-Prozent-Uran diese Woche geben, dann werden wir diese Woche aufhören, auf 20 Prozent anzureichern." Und auf Kristofs Anmerkung, dass Irans Atomchef doch vor kurzem einen Deal ausgeschlossen hatte, sagte der iranische Präsident sein „Woher haben Sie das, Sir?"

Wenn dieses Offert - so es eines ist - auch immer noch fern von allem ist, was sich die internationale Gemeinschaft vom Iran erwartet, so halten Experten es dennoch für interessant genug, um es nicht gleich vom Tisch zu wischen. Denn die Produktion von 20-Prozent-Uran ist es ja, die den Weg Irans zu genügend hoch angereichertem Uran (HEU) - das heißt waffenfähigen Uran, für Atomwaffen - immer kürzer macht. Auf dem Papier hat zwar der Uran auch schon genügend 3,5-Prozent-Uran, um daraus genügend HEU für mindestens eine Bombe zu gewinnen, aber dieser Weg ist ja doch länger. Ein Stopp der Produktion von 20-Prozent-Uran wäre also eine wichtige vertrauensbildende Maßnahme.

Ob sich auf der Basis von Ahmadi-Nejads Sager neue Verhandlungen ergeben könnten, ist allerdings fraglich: Der Iran wäre wohl höchstens bereit, den Deal zu den Konditionen von Herbst 2009, als er erstmals ins Gespräch kam, abzuschließen. So sahen es zumindest von der Türkei und Brasilien vermittelte Angebote seither vor. Die USA, Großbritannien, Frankreich und Deutschland, die vornehmlich mit dem Iran verhandeln, sehen die Formel von 2009 als für veraltet an: Die 1200 kg LEU, die Iran damals hergeben sollte, sind heute prozentuell viel weniger von Irans Gesamtbestand an LEU, als sie es 2009 waren. Einfach erklärt: 2009/2010 hätte der Export von 1200 kg iranischen LEUs ins Ausland bedeutet, dass der Iran nicht mehr genug LEU im Lande gehabt hätte, um daraus genügend HEU für eine Bombe herzustellen. Das ist heute nicht mehr der Fall.

Eine andere Frage beträfe das bereits hergestellte 20-prozentige Uran, Ahmadi-Nejad sagte nichts davon, dass Iran bereit wäre, auch dieses außer Landes schaffen zu lassen. Und dann bliebe noch immer offen, ob sich die iranischen und die westlichen Vorstellungen, wie ein solcher Tausch zeitlich ablaufen würde, angenähert haben: Die Internationale Atomenergieorganisation (IAEO), die den ersten Vorschlag ausgearbeitet hatte, sah den Ablauf so vor, dass das iranische 3,5-Prozent-LEU ins Ausland gebracht, dort zu 20-prozentigem Uran angereichert und danach zu Brennstäben weiterverarbeitet worden wäre, die wieder in den Iran zurückgehen sollten. Diesen oder zumindest einen darauf basierenden Vorschlag schien Ahmadi-Nejad 2010 annehmen zu wollen, als er sagte, dass dies auch ein Test für die Wahrhaftigkeit des Westens sei - und wenn der Iran, wie viele fürchten, vom Westen tatsächlich um sein angereichertes Uran betrogen würde, dann werde er eben wieder neues herstellen. Diese Aussage wurde ihm, wie schon eingangs erwähnt, von links und rechts des iranischen politischen Spektrums fast als Verrat angekreidet.

Seitdem heißt es aus dem Iran wieder: Tausch bedeutet iranisches LEU auf der einen Seite, Brennstoff aus dem Westen auf der anderen Seite. Natürlich gibt es dazu Kompromisslösungen, wie dass eine dritte Partei - und dafür bot sich die Türkei an das iranische LEU in Verwahrung nimmt und erst weitergibt, wenn die iranische Seite ihre Lieferung bekommen hat.

Viel war von diesem Deal in den vergangenen zwei Jahren in den Medien die Rede, sehr oft fälschlicherweise unter dem Titel „Lösung des Atomstreits". Zu keiner Zeit hat Teheran die Bereitschaft gezeigt, unter diesem Deal auch die Anreicherung von Uran auf 3,5 Prozent aufzugeben. Ganz im Gegenteil: Kritiker des „Fuel Deal"-Plans aus dem Westen merken an, dass damit die Forderung des Uno-Sicherheitsrats an den Iran, er möge seine Uran-Anreicherung sofort einstellen, unterlaufen wird. Denn man würde mit dem Iran ins Geschäft kommen, ihm sogar nukleares Material liefern, ohne dass er die Uno-Sicherheitsratsresolutionen erfüllt. Der Iran hätte also nur zu gewinnen (gehabt).