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Ein vorrevolutionärer Wagen in Havanna. Bislang war es verboten, nachrevolutionäre Automodelle zu kaufen oder verkaufen. Beschränkungen für ganz neue Autos bleiben weiterhin bestehen.
Die Liberalisierung gehört zu den mehr als 300 Wirtschaftsreformen von Präsident Raúl Castro.
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Puebla/Havanna - Ein halbes Jahrhundert war der Autohandel auf Kuba verboten - nun fällt im Zuge der Wirtschaftsliberalisierung auch diese unpopuläre Beschränkung. Am Mittwoch wurde ein entsprechendes Dekret veröffentlicht. Die Maßnahme ist Teil der mehr als 300 marktwirtschaftlichen Reformen, die vom Kommunistischen Parteikongress im April verabschiedet wurden. Der Verkauf und die Schenkung von Gebrauchtwagen ist fortan Kubanern ohne vorherige staatliche Genehmigung erlaubt. Dies gilt auch für Ausländer, die auf der Insel leben. Beim Kauf neuer Importautos gibt es allerdings weiterhin Beschränkungen. Wer daran Interesse hat und über Deviseneinnahmen verfügt, muss eine Erlaubnis beim Transportministerium beantragen.
Bislang konnten nur Autos aus der Zeit vor der Revolution von 1959 frei verkauft werden, neue Modelle nicht. Es gab allerdings einen blühenden Schwarzmarkt, auf dem die Autos unter der Hand verkauft wurden. Die Papiere blieben jedoch stets auf den Originaleigentümer ausgestellt. Die neueren Modelle, meist aus sowjetischer Produktion, waren zum Großteil im Besitz von höheren Funktionären, Vorzeigesportlern, Ärzten und Künstlern, die durch Auslandsaufenthalte Deviseneinnahmen hatten.
Absurdes Verbot
Die ersten Reaktionen der Bevölkerung auf die Maßnahme waren positiv. "Das Verbot war absurd, wie gut, dass es jetzt damit vorbei ist", sagt der Musiker Lazaro Gonzalez. Auch für die Auswanderer gilt die Reform. Sie dürfen fortan ihre Fahrzeuge verkaufen oder an Verwandte vererben. Vorher mussten sie alle ihre Eigentümer dem Staat überlassen.
Im Zuge des Reformkurses dürfen Kubaner nun auch Mobiltelefone, Fernseher und Mopeds erwerben und in Hotels logieren. Zwei weitere unpopuläre Restriktionen - die teure und nach willkürlichen Kriterien erteilte Ausreiseerlaubnis und das Verbot von Immobilienverkäufen - sollen ebenfalls noch fallen. Außerdem dürfen sich Kubaner in mehr als 180 Berufen selbstständig machen und Angestellte beschäftigen, müssen dafür allerdings eine Lizenz beantragen und Steuern zahlen. Davon haben bislang knapp 350.000 Bürger Gebrauch gemacht. Rund 30 Prozent davon sind offiziellen Zahlen zufolge ehemalige Staatsbeamte, deren Jobs wegrationalisiert wurden.
Kubas Präsident Raúl Castro will mittelfristig eine Million Staatsdiener entlassen. Die Reformen sollen der maroden Wirtschaft mehr Effizienz und Wettbewerbsfähigkeit einhauchen, ohne jedoch auf den Sozialismus als Ideologie zu verzichten. Nach einem halben Jahrhundert ist die Umstellung auf kapitalistische Spielregeln für alle Beteiligten ein schwieriges Unterfangen. Weil Steuerzahlen etwas ganz Neues ist, veröffentlichte das Parteiorgan Granma kürzlich eine Anleitung für diejenigen, die künftig "auf eigene Rechnung" arbeiten wollen. Aber nicht nur die Unternehmer, auch die Steuerbehörde selbst scheint mit den Auflagen und Regeln, mit Freistellungen und Freibeträgen, überfordert und ist einem Bericht der Zeitung Economist zufolge heillos im Verzug. (Sandra Weiss/DER STANDARD, Printausgabe, 30.9.2011)