Libyens Nationaler Übergangsrat hat versucht, aus der Not eine Tugend zu machen, als er die - seit Wochen versprochene - neue Regierungsbildung einmal mehr aufschob: Die neue Ära soll erst anbrechen, wenn Gaddafi endgültig besiegt sei. Zumindest die halbe Wahrheit, warum das ungeliebte Exekutivkomitee bis dahin weiter im Amt bleibt, ist jedoch, dass sich die Kräfte des neuen Libyen bisher nicht einigen konnten, wer was bekommt.

Der Plan war, dass die Vertretung bis zu den ersten Wahlen auf geografischen Quoten, die die libysche Einheit unterstreichen sollten, basiert. Mit dem Argument, Quoten habe es bereits unter Gaddafi gegeben, lehnen dies insbesondere jene Gruppen ab, die sich aufgrund ihrer Stärke mehr vom Kuchen und damit eine gute Startposition für die Wahlen erwarten können. Das sind einmal die Islamisten, die "Effizienz" als Kriterium einfordern - und effizient sind sie mit ihrem hohen Organisationsgrad ja tatsächlich. Lokale Kräfte führen besondere Meriten oder auch besondere Leiden an: Bengasi ist die Stadt der ersten Revolte und verdient mehr. Misurata hat besonders lange gelitten und verdient mehr. Typisch ist auch der deutliche Konflikt zwischen "Dagebliebenen" und "Exilanten".

Laut New York Times liefern die Städte und Stämme beschlagnahmte Waffen - und Gefangene - nicht mehr automatisch an die Truppen des Übergangsrats aus. Man weiß ja nicht, wozu man sie noch braucht. (DER STANDARD, Printausgabe, 30.9.2011)