"Die Rektoren tun so, als wäre die Uni eine überfüllte Disco, und fordern den brutalen Türsteher", schrieb SP-Mandatar Matznetter am Mittwoch an dieser Stelle ("Reform statt Beschränkung"). Das Kernproblem der Uni-Misere liege nicht in der Knappheit der Mittel, sondern an der mangelnden Innovationsbereitschaft der Rektoren.

Man stelle sich vor, ein Steuerberater würde entweder die elementarsten Grundrechnungsarten nicht beherrschen oder mit Taschenspielertricks arbeiten - der Mann wäre über kurz oder lang seinen Job los. Als Wirtschaftssprecher der SPÖ hat Christoph Matznetter offenbar nicht zu befürchten, dass er - wie nach dem jüngsten Gastkommentar im Standard - seines Amtes verlustig gehen könnte. Zum wiederholten Mal verbreitet Matznetter nunmehr die irreführende Behauptung, den Universitäten sei seit dem Regierungseintritt der SPÖ Anfang 2007 eine beinahe 50-prozentige Budgetsteigerung zuteil geworden, und diesen Zuwachs stellt er den seither um 27 Prozent gestiegenen Studierendenzahlen gegenüber.

Matznetter vergleicht damit ein nominelles Budgetwachstum ohne Berücksichtigung der Inflationsrate mit realen Steigerungen bei den Studierendenzahlen. Die Perfidie an der Nummer des Zahlenjongleurs: Er rechnet offensichtlich den Ersatz der Studienbeiträge durch die öffentliche Hand mit in die Ausgaben hinein, also jene 157 Millionen Euro pro Jahr, die der Gesetzgeber nach dem Mehrheitsbeschluss vom September 2008 den Universitäten weggenommen hat (eine Summe die den Unis als sogenannte "private Beteiligung" seither entgeht).

Die absonderlichen Empfehlungen des vormaligen Finanzstaatssekretärs und Amateur-Hochschulpolitikers sind derart haarsträubend und fern von jeglicher Realität ("flächendeckendes Angebot an Fernstudien"), dass sie eine Kommentierung nicht wirklich verdienen. Matznetter bringt aber damit die zutiefst heuchlerische Haltung seiner Partei zum Ausdruck: Diese hat in den letzten Jahren jede Systemveränderung im Universitätssektor ebenso abgelehnt wie die Ausfinanzierung des von ihr selbst geforderten freien Zugangs.

Leidtragende dieser Entwicklung sind alle Universitätsangehörigen, aber besonders die Studierenden, von denen immer mehr das üble politische Spiel durchschauen.

(Rektor Hans Sünkel, Präsident der Österreichischen Universitätenkonferenz)

***

"Unsere Studierenden erleben die Propaganda vom freien Hochschulzugang als Zynismus"

Sehr geehrter Herr Matznetter! Als einer der Rektoren, die so "reformunfreundlich" sind, würde ich Ihnen gerne ein paar Fakten über die Wirtschaftsuniversität mitteilen, die Ihrer geschätzten Aufmerksamkeit offensichtlich entgangen sind:

Wissen Sie, dass gleichzeitig mit dem von Ihnen kolportierten (leichten) Budgetanstieg die Zahl der Studienanfänger/innen seit 2007 dramatisch angestiegen ist? Wir haben derzeit pro Studierenden und Jahr 2.741 Euro- zur Verfügung. Im Jahr 2007 waren das noch2.979. Wobei das "noch" hier bestenfalls ironisch aufgefasst werden kann: Wirtschaftswissenschaftlichen Fachhochschulen steht ein Betrag von 6.510 Euro pro Studierenden zur Verfügung.

Wissen Sie, dass der Gesetzgeber die größte Quelle immer noch bestehender Ineffizienzen im Unisystem ist? Beispielsweise verbietet uns das Gesetz, irgendetwas dagegen zu tun, dass Studierende oft jahrelang zwar Ressourcen der Uni benützen, aber keine Prüfungen ablegen.

Wissen Sie, dass an der WU trotz jährlich erweiterter Kapazitäten die Zahl der Anfänger/innen rund fünfmal (!) so groß wie die Kapazitäten ist? Wollen Sie dann ernsthaft uns vorwerfen, wir seien die Ursache, dass es nicht mehr Akademiker/innen gibt? Auf einen Professor kommen an der WU 365 Studierende.

Wissen Sie, dass die WU mit über 25.000 registrierten NutzerInnen und bis zu zwei Millionen Views/Tag eine der meist genutzten eLearning Plattformen der Welt (!) hat? Studierende finden darauf sämtliche Lernunterlagen, von Kontrollfragen über Musterprüfungen bis zu aufgezeichneten Lehrveranstaltungen. Diese Plattform haben wir seit zehn Jahren aufgebaut, Ihr Vorschlag kommt daher ein wenig spät.

Wissen Sie, dass uns die Qualitätssteigerungen in der Lehre unserer Universität unter anderem internationale Akkreditierungen eingebracht haben, dass diese aber gefährdet sind, weil wir in den ersten Semestern ausschließlich Großprüfungen in Form von Multiple Choice durchführen und den Zugang nicht regeln können? Ist das wirklich Ihre Idealvorstellung eines Studiums?

Wissen Sie, dass an der WU schon seit fast 10 Jahren auch in den Ferien unterrichtet wird? Wir bieten Studienbeschleunigungsprogramme an, um unsere fleißigen Studierenden zu unterstützen, schneller durchs Studium zu kommen.

Wissen Sie, dass unsere Studierenden die Propaganda vom "freien Hochschulzugang" nur mehr als Zynismus erleben können? Alle dürfen in die Uni herein, und sobald sie drinnen sind, ist es unser Job, sie wieder hinauszuwerfen. Eine phantastische Arbeitsteilung zwischen Politik und Universitäten.

Um zu Ihrem Bild zu kommen: In einer Disco würde der Betreiber gerichtlich verfolgt, wenn er mehr Gäste ins Lokal lässt, als drinnen Platz ist. In der Bildungspolitik wird dieses Prinzip gefeiert - es gibt keinen Türsteher und weit mehr als die Hälfte der Gäste werden nach einiger Zeit ohnmächtig aus dem Lokal getragen. Und dann erklärt uns der Wirtschaftssprecher der größten Regierungspartei, wir brauchen eh kein Geld, um das Lokal zu vergrößern.

(Christoph Badelt, Rektor der Wirtschaftsuniversität Wien)

(DER STANDARD; Printausgabe, 30.9.2011)