Gestützt auf eine von den Darbietungen der rot-schwarzen Koalition gespeiste Unmutsvermutung in Bezug auf größere Bevölkerungskreise haben diese Woche Altpolitiker zu einem - Eigendefinition - letzten Aufgebot gegen den politischen Stillstand geblasen. Diese erbauliche Äußerung zivilen Ungehorsams gegen eine sich selbst lähmende Obrigkeit fand medial freundlichen Beifall, außer in der Kronen Zeitung, die darin einen Anschlag auf ihre Inserenten witterte und die Sache von ihrem Postler als "das Allerletzte" abtun ließ. Die Aktion wird wohl noch die 8000 Unterschriften finden, die zur Einleitung eines Volksbegehrens nötig sind. Aber dass die Wahlen 2013, wenn sie denn solange auf sich warten lassen, bereits nach den Vorstellungen der Akteure von direkterer Demokratie ablaufen sollen, wie sie sich das wünschen, deutet auf mehr Naivität hin, als man sie bei politischen Altprofis erwarten sollte.
Neben Forderungen nach Transparenz, Verwaltungsreform, Antikorruptionsmaßnahmen etc. ist die Tendenz ihrer Bemühungen um unser Österreich gespeist von Skepsis gegenüber den Parteien, die bei Erhard Busek soweit geht, von ihrem abzusehenden Ende zu sprechen, und der Hoffnung auf ein Volksempfinden, das sich bei der Auswahl von Mandataren als gesünder erweisen soll, als die Ausleseverfahren der Parteien. Der Zweifel an den Parteien erweist sich jeden Tag als berechtigt, aber vertrauensvoll auf die Weisheit des Volkes bei der Direktauswahl seiner Funktionsträger zu setzen, erscheint angesichts der billigen Volkstümlichkeit, die sich etwa ein Karl-Heinz Grasser oder ein Jörg Haider in diesem Land erschleichen konnten und angesichts des Schadens, den sie, darauf gestützt, angerichtet haben, ein wenig problematisch.
Was die Menschen zornig macht, ist, neben der Korruption und der Verschleuderung von Steuergeld an den Boulevard, weniger ein zu geringes Ausmaß an Mitbestimmung - bei allgemeinen Wahlen tendiert die Beteiligung inzwischen gegen sechzig Prozent -, sondern dass die Parteien die Aufgaben, die man sich von ihnen erwartet, nicht mehr oder nur höchst unzulänglich erfüllen. Ihnen gilt das größte Misstrauen der Bürgerinnen und Bürger. Aber auch wenn sie nicht für die Ewigkeit sind, sollte man nicht auf ihr von Busek prognostiziertes Ende warten, denn das könnte sich noch eine Weile hinziehen.
Nur an ihnen, den Parteien, kann es letztlich liegen, die von den Altpolitikern angeregten Veränderungen zu einem erhofften Besseren zu beschließen. Das heißt: Es gibt kein Ende der Parteipolitik, es kann nur bessere Parteien geben. Parteien, die etwa ihrer Aufgabe, ausreichend kompetente Politiker zu produzieren - wofür sie sich übrigens vom Staat Geld auszahlen lassen -, besser nachkommen als derzeit. Der charismatische Quereinsteiger wäre eine eher bedenkliche Figur, gäbe es ihn denn. Parteien, in denen es nicht vorkommt, dass hochqualifizierte Persönlichkeiten aufs Abstellgleis abgeschoben, wenn nicht gar hinausgeekelt werden, weshalb sie entweder resignieren oder sich in vorgerücktem Alter nicht mehr anders zu helfen wissen, denn als letztes Aufgebot die Demokratie - vor ihren Parteien zu retten. (DER STANDARD; Printausgabe, 30.9.2011)