Paris - Tristane Banon hatte selbst um die Konfrontation mit dem Ex-Währungsfonds-Direktor ersucht: "Ich möchte, dass er mir gegenübersitzt und mir ins Gesicht sagt, dass alles nur Einbildung war. Ich möchte ihn sehen, wie er mir das sagt." Die 32-jährige Journalistin wirft Strauss-Kahn vor, er habe sie bei einem Interviewtermin in seine Bürowohnung gelockt und zu vergewaltigen versucht.
Falls sie hoffte, dass der Beschuldigte unter ihrem Blick alles zugeben würde, wurde sie enttäuscht. Die beiden Kontrahenten trafen sich am Donnerstag in einem Pariser Polizeikommissariat. Dem Vernehmen nach sprachen sie aber nicht direkt miteinander, sondern beantworteten Fragen einiger Beamter. Strauss-Kahns Verteidiger Henri Leclerc meinte nachher: "DSK ist bei seiner Version geblieben, sie auch." Aus Ermittlerkreisen verlautete, er habe den Versuch eingeräumt, Banon zu küssen. Auf ihre Weigerung hin habe er aber davon abgelassen.
Banon erzählte am Abend in der Tagesschau: "Er hat sich nicht getraut, mir in die Augen zu schauen." DSK habe ihre Anschuldigung "arrogant" als Einbildung abgetan, doch sie halte den Vorwurf der versuchten Vergewaltigung aufrecht. Sollte das Strafverfahren eingestellt werden, werde sie eben Zivilklage einreichen.
Dass ein erfahrener Politiker versucht, sich bei einem Interview an eine junge Journalistin heranzumachen, dürfte Strauss-Kahns Ansehen in der Bevölkerung kaum erhöhen; viele Juristen bezweifeln hingegen, ob die Beweislage für eine Anklage wegen versuchter Vergewaltigung genügt. Banon hätte wohl lieber wegen sexueller Belästigung geklagt - doch dieser Tatbestand ist verjährt. (brä/DER STANDARD, Printausgabe, 30.9.2011)