Vince Ebert schrieb am 24.9.2011 in derStandard.at einen spöttischen Artikel über "Alternativmedizin". „An irgendetwas muss man ja glauben. Dabei darf man nur Glauben und Wissen nicht durcheinander bekommen".

Der Artikel ist eine kabarettreife Verwechslung von Glauben und Wissen

Das Anliegen des Kabarettisten und Physikers Vince Ebert ist es, wissenschaftliche Zusammenhänge mit den Gesetzen des Humors zu vermitteln. Das ist eine gute Idee und wäre unterhaltsam, wenn der Autor innerhalb der Grenzen seines Wissens bliebe. Das ist jedoch nicht der Fall. Ebert schrieb über "Alternativmedizin" - ein veralteter Begriff, der längst durch "Komplementärmedizin" und „Integrative Medizin" ersetzt wurde - und präsentierte mehr als kabarettreife Ansichten.

Ebert spottete über Gott, Kinesiologie, Wasseradern, Energieströme, Feng-Shui, Pendeln, Wahrsagerei, Chakren und die Informationsspeicherung in Wasser und zeigte peinliches Unwissen über die Homöopathie. So führte er das im amtlichen Europäischen Arzneibuch auf höchstem wissenschaftlichem Standard definierte homöopathische Herstellungsverfahren der Potenzierung auf "Geister" zurück und verwies dazu auf die geschlossene Psychiatrie. Sein Beitrag gipfelte in der Behauptung, dass es keine alternativen Methoden gäbe, deren Erfolge überprüft werden können.

Wirknachweise der Homöopathie

Die Wirkungen der Homöopathie sind in vielen tierexperimentellen Studien und klinischen Doppelblindstudien am Menschen untersucht worden. Am Institut für Physiologische Chemie der Tierärztlichen Hochschule Hannover wurden homöopathische Arzneimittel der Potenzen D4-D1000 an Ratten getestet. Die Histaminfreisetzung aus Mastzellen und enzymatische Leberwerte zeigten, dass biochemische Nachweisverfahren geeignet sind, die Wirkungen homöopathischer Hochpotenzen im Zellstoffwechsel nachzuweisen.

An der Charité Universitätsmedizin Berlin wurden 67 experimentelle Studien an Blutzellen und zellfreien Modellen einer kritischen Nachuntersuchung unterzogen. Dabei wurden bei 73 Prozent der Studien und den Experimenten mit hohem methodischem Standard die Wirkungen der homöopathischen Arzneimittel "jenseits der Loschmidt'schen Zahl" - die keine Moleküle der Ausgangsstoffe mehr enthalten - bestätigt.

In der Humanmedizin belegen 63 klinische Studien die Wirksamkeit der Homöopathie. Die Wirksamkeit wurde bereits in 53 Anwendungsgebieten mit hohem Evidenzgrad (Ia, IIa) wissenschaftlich belegt.

Auch die im Lancet 2005 erschienene "Egger-Studie", die in den Medien lautstark eine Unwirksamkeit der Homöopathie behauptet hatte, trug zu positiven Ergebnissen bei. Die sorgfältige Nachuntersuchung der Daten widerlegte den Vorwurf der Placebowirkung und zeigte eine signifikante Wirksamkeit der Homöopathie.

Health Technology Assessment (HTA)

Im Auftrag der Schweizer Regierung wurde die Homöopathie durch ein „Health Technology Assessment" untersucht. Das HTA hat alle auffindbaren wissenschaftlichen Publikationen hoher Qualität ausgewertet, um die Wirksamkeit und Sicherheit, den Patientennutzen und die Wirtschaftlichkeit der Homöopathie nach den höchsten wissenschaftlichen Kriterien der "Evidenzbasierten Medizin" zu bewerten. Das HTA der Homöopathie hat in 22 medizinischen Datenbanken 107 wissenschaftliche Arbeiten gefunden. Darunter haben 22 Meta-Analysen und Systematische Reviews mit höchstem Evidenzgrad (Ia) überwiegend die Wirksamkeit der Homöopathie bestätigt. Im Anwendungsgebiet "Infekte und Allergien der der oberen Atemwege" zeigten 24 von 29 Studien an 4.843 Patienten positive Ergebnisse.

Positive Bewertung

Der HTA-Bericht als bestes Instrument der Evidenzbasierten Medizin hat die Homöopathie daher positiv bewertet: "Zusammenfassend lässt sich feststellen, dass es ausreichend Belege für die präklinische (experimentelle) Wirkung und klinische Wirksamkeit der Homöopathie gibt und dass sie absolut und insbesondere im Vergleich zu konventionellen Therapien eine sichere und kostengünstige Intervention darstellt."

Forschung in der Homöopathie

Einen guten Überblick über den Stand der wissenschaftlichen Forschung der Homöopathie bietet der weltweite Dachverband homöopathischer Ärzte (Liga Homoeopathica Medicorum Internationalis, LMHI). Darin sind die Ergebnisse von 15 Studien an 9.938 Patienten enthalten, die eine Kosteneinsparung durch Homöopathie zeigen. Ebenso werden neue physikalische Forschungsarbeiten präsentiert, die mittels NMR, spektrometrischer Verfahren und Thermolumineszenz nachweisbare Unterschiede zwischen homöopathischer Arznei und Arzneiträger (Alkohol, Zucker) zeigen.

Glauben und Wissen

Es ist nicht erkennbar, warum Vince Ebert seine spöttischen und nicht dem Stand des Wissens entsprechenden Ansichten zum Besten gibt und dazu schulmeisternd doziert, man dürfe "Glauben nicht mit Wissen verwechseln". Um Kabarett handelt es sich dabei nicht. "Kabarett" ist eine Form der Kleinkunst, in der Darstellende Kunst, Lyrik und Musik miteinander verbunden werden". Dies trifft auf den Beitrag im Standard nicht zu. Wissenschaft ist es auch nicht, denn die Ausführungen des studierten Physikers belegen eine größtmögliche Unkenntnis der Homöopathie. Die religiösen Argumente (Gott, Glaube, Ersatzreligion) und die Überheblichkeit des Autors, die gesamte "Alternativmedizin" ohne Angabe wissenschaftlicher Arbeiten als "Glauben" zu diskriminieren, weisen vielmehr auf die religiösen Motive des Beitrages hin. Ebert hat darin keinen Versuch unternommen, den Wissensstand der Komplementärmedizin zu untersuchen, sondern präsentierte seinen persönlichen "Glauben über Alternativmedizin". Sein formuliertes Anliegen, wissenschaftliche Zusammenhänge mit Humor zu vermitteln, hat der Autor damit nicht erreicht.

Fazit: Vince Ebert ist genau das passiert, wovor er in seinem Beitrag gewarnt hat: Es ist ihm "Glauben und Wissen durcheinander gekommen". (Gastkommentar, Friedrich Dellmour, derStandard.at, 30.9.2011)