Edlinger: Ich glaube, jetzt sind wir bald so weit: Österreich wird Räterepublik.

Divjak: Ich weiß nicht. So weit ist es mit dem Feindbild der Reichen noch nicht ganz - auch wenn unser Vizekanzler gern Enteignung und "Haltet den Dieb!" schreit, wenn das eine oder andere neue Steuerprozenterl droht. Außerdem: Das mit den Räten ist schon seinerzeit in München nicht gut angekommen.

E: Eh. Aber alle haben mal klein angefangen. Vielleicht sind die Räte von morgen ja die Ratgeber von heute. Als ich neulich in der Buchhandlung war, habe ich mir jedenfalls gedacht: Der Oktober könnte es wieder in sich haben, rein revolutionsmäßig gesehen. Auf den Büchertischen war nämlich Schluss mit lustig und charming Charlotte. Dafür gab's flammende Appelle, trotzige Manifeste und fordernde Pamphlete zur Potenz von links bis ins liberal-konservative Lager. Empört euch!, Vernetzt euch!, Der Aufstand des Gewissens, Das Ende des Gehorsams und so weiter.

D: Spüren alle, dass es so nicht mehr weitergehen kann. Und gleichzeitig weiß man gar nicht, wo man anfangen soll mit dem Aufräumen und Bessermachen. Was braucht man zuerst? Die Vereinigung der Prekarier? Die ökologische, die technologische, die anthropologische oder die sonst irgendwie noch halbwegs logische Wende? Reicht bei uns frei nach George Bush ein Krieg gegen den Terror der Korruption? Oder soll man sich in die biedermeierische Familienglücksforschung stürzen und seine eigenen zehn Gebote zurechtzimmern? Keine Ahnung. Da tobt ein innerer Bürgerkrieg.

E: Eben. Deshalb gibt's so viele Ratgeber für den neuen Menschen zum Selberbasteln. Das Ganze hat auch einen Zug ins Pathetische. Da ziehen jetzt auch die ganz normalen Lebensschulbücher mit. Die Kochbuchkracher ganz oben in der Sachbuchhitparade heißen heute entweder so wie die Fernsehtorturen von morgen Herdhelden oder ganz im Sinne des weltweiten kulinarischen Sit-ins Peace Food.

D: Fehlt nur noch, dass einer eine grüne Bio-Bibel oder Das vegetarische Manifest herausbringt.

E: Das Vertrackte ist, dass das alles nicht so unberechtigt wäre. Letzten Mittwoch hat man erneut den globalen Welterschöpfungstag "gefeiert". Wieder früher als im Vorjahr. Seitdem sind wir alle Griechenland. Wir haben die Natur so nachhaltig geplündert, dass die regenerativen Ressourcen fürs ganze Jahr aufgebraucht sind.

D: Deprimierend effizient, dieser kapitalistische Ökokolonialismus. - Gibt's denn in Sachen Umweltpolitik eigentlich auch mal gute Nachrichten oder sind da auch bereits alle Vorräte erschöpft? - Und vor allem: Was tun?

E: Genau. Das hat der alte Lenin ja auch mal gefragt. (DER STANDARD/ALBUM - Printausgabe, 1./2. Oktober 2011)