Höchste Zeit, wieder einmal etwas Unpolitisches zu schreiben: Der Kater ist zu fett. Und zwar viel zu fett. Die Tierärztin schlägt die Hände über dem Kopf zusammen und rät zu Diät, sonst drohen Herzinfarkt, Hirnschlag usf.

Wir hatten schon vermutet, dass Balu in letzter Zeit zu tief in den Napf geguckt hat, als er kürzlich mit dem Geräusch einer auf dem Boden aufklatschenden Butterkugel vom Sessel unter den Tisch rollte. Jetzt haben wir es amtlich. Der Kater ist zu dick. Sein Übergewicht hat fellsprengende Dimensionen. Wir können von Glück reden, dass er noch nicht zu grunzen angefangen hat.

Balu ist kein Einzelfall. In unserer Gesellschaft ist das übergewichtige Haustier eine Massenerscheinung. Tierärzte klagen über das Überhandnehmen dicker Dackel in ihren Praxen, über mollige Möpse, feiste Frettchen, ausgefressene Asseln, blade Biber, ölige Otter und wamperte Wellensittiche, die es gerade mit Ach und Krach von einem Sprießerl zum andern derhüpfen.

Ursachen für die ausufernde animalische Adiposität gibt es viele: falsche Vorbilder (alle zehn Minuten füttert eine bildhübsche junge Frau im Werbefernsehen ihre Pussy), Frustfresserei und sentimentale Herrlis und Fraulis, die dem Tier unbedacht eine Extraportion um die andere in Maul, Schnabel oder Schnauze schoppen.

Die freilebende brasilianische Anakonda, die höchstens jedes Dreivierteljahr einen Trekker zwischen die Zähne bekommt, ist schlank, rank und topfit vom Scheitel bis zur Sohle. Die in österreichischen Badewannen gehaltene Anakonda leidet unter Zivilisationskrankheiten (Karies, Schwanzverfettung) und ist aufgebläht bis unter die letzte Schuppe. Nicht einmal ein Becher "Activia" könnte da helfen.

Doch zurück zu Balu. Bei dem ist jetzt Schmalhans Küchenmeister. Wo sich früher Berge von lecker Trocken- und Nassfuter in den Näpfen wölbten, da gibt es heute Portionen wie aus der Molekularküche.

Natürlich ist der Kater sauer. Die Maunz-und-Raunz-Frequenz nimmt zu, er scheint tierisch enttäuscht, dass man ihm seine gewohnten Rationen vorenthält. Umgekehrt sind wir menschlich enttäuscht, weil wir von ihm lediglich als Futtergeber betrachtet werden und nicht als vollwertige, intellektuell anregende Persönlichkeiten. Doch sei's, wie es sei: Die fetten Jahre sind vorbei. Und heute Abend gibt es wieder keine Katzenstange. (DER STANDARD/ALBUM - Printausgabe, 1./2. Oktober 2011)