Angelo Soliman, um 1750
Johann Gottfried Haid (nach Johann Nepomuk Steiner)

Foto: Wien Museum

Angelo Soliman war kein gewöhnlicher Kammerdiener. Er schaffte den Aufstieg zum Kammerdiener und Erzieher am Fürstenhof.

Ein Jagdbankett des Fürsten Gian Gastone de' Medici mit Angelo Soliman (?), 1730-1750
Peter Jakob Horemans Umkreis

Foto: Wien Museum

„Man sollte sich von den Bildern des kleinen "Kaffeemohren" nicht täuschen lassen, nicht immer waren das Kinder, Afrikaner wurden immer klein dargestellt", so Walter Sauer.

Das Gartenpalais Liechtenstein in Wien, rechts der Fürst mit seinem "Hofmohren", 1759/60
Bernardo Bellotto (genannt Canaletto)
© Sammlungen des Fürsten von und zu Liechtenstein, Vaduz-Wien

Foto: Wien Museum

Eine feine höfische Jagdgesellschaft aus dem 18. Jahrhundert. Honorige Herren lassen sich von ihren Untertanen bedienen, Speis und Trank reichen oder die Schuhe blankputzen. Die Kammerdiener rund um das Jagdkabinett des Fürsten Gian Gastone de' Medici sind eifrig bemüht es ihren Herren gut gehen zu lassen. Einer von ihnen strahlt aber keine Hektik oder Unterwürfigkeit aus. Aufrecht und stolz steht er hinter einem sitzenden Fürsten, seine Hand liegt auf der Sessellehne. Nicht viele Kammerdiener würden diese Geste, diese Nähe zum Herrn wagen.

Aber Angelo Soliman war kein gewöhnlicher Kammerdiener. Was ihn von den anderen Dienern und den Herren auf dem Bild unterscheidet, ist nicht nur seine charismatische Erscheinung und das auffällige Kostüm in Signalrot. Angelo Soliman stammt aus Afrika und war einmal Kindersklave in Sizilien. Als junger Mann wurde er Diener, Soldat und enger Vertrauter des Feldmarschalls Lobkowitz. Und schließlich, ab 1753, kam er in Wien in den Dienst des mächtigen Fürsten von Liechtenstein.

"Kaffeemohren", Soldaten, Diener

Wie Angelo Solimans afrikanischer Name lautete, weiß niemand. Aus welcher Region Afrikas er stammt und zu welcher Ethnie gehörte ist auch unklar, weil es keine Quellen dazu gibt. "Wir wissen nicht woher er kommt", berichtet Walter Sauer, Professor am Institut für Wirtschafts- und Sozialgeschichte der Universität Wien, der auch als wissenschaftlicher Berater der aktuellen Ausstellung über Solimans Leben im Wien Museum fungierte.

Angelo Soliman ist vermutlich um 1721 in Afrika geboren und wurde entlang der üblichen Sklavenhändlerrouten von Afrika nach Europa verschleppt. Im sizilianischen Messina soll er im Dienste einer aristokratischen Dame gestanden haben. Bis hierhin ist seine Lebensgeschichte nicht unüblich für Afrikaner im Europa des 18. Jahrhunderts. In Wien lebten damals rund 40 Afrikaner, die meisten als so genannte "Kaffeemohren". Kaffee galt damals noch als exotisches Getränk aus dem Orient und einen afrikanischen Knaben aus exotischen, unbekannten Gefilden im Dienst zu haben, der den Kaffee servierte, galt in guten Kreisen als mondän. "Die High Society hatte jemanden zum Herzeigen, aber man sollte sich von den Bildern des kleinen ‘Kaffeemohren‘ nicht täuschen lassen, nicht immer waren das Kinder, Afrikaner wurden immer klein dargestellt", so Sauer.

Paradiesisch, exotisch und gefährlich

Menschen aus Afrika wurden zwar als Exotikum angesehen, aber niemals auf selber Augenhöhe mit den aristokratischen Damen und Herren porträtiert. Schon deswegen ist der Werdegang Angelo Solimans beachtlich. Wobei seine Karriere als Soldat im Dienste des Fürsten Lobkowitz nicht unüblich war. "Denn auf der einen Seite gab es damals das Bild des "edlen Wilden", der in der unberührter Natur lebte, aber auch das Bild des widerständigen, aggressiven Schwarzen", erzählt Sauer. Afrika war für Europa paradiesisch, exotisch aber auch gefährlich zugleich. "Mit dem Aufstieg des Osmanischen Reichs kam dann auch das Feindbild des schwarzen Muslims hinzu, die Wallfahrt nach Santiago de Compostela zum Beispiel ist klar gegen die schwarzen Mauren ausgerichtet."

Fürstlicher Hauslehrer

Soliman hingegen wurde in Italien zwangsgetauft. Und er schaffte es vom Soldaten zum Kammerdiener des Fürsten von Liechtenstein. Schnell stieg er mit seinem gewandten Auftreten, seinen Sprachkenntnissen und seiner Intelligenz - er besiegte viele feine Herren im Kartenspiel - zu einer gern gesehenen und wichtigen Persönlichkeit in der Wiener Gesellschaft auf. "Er schaffte es, sich zu emanzipieren, er heiratete, obwohl das für einen Kammerdiener eigentlich nicht möglich war. Er wurde Hausbesitzer und Mitglied der prominentesten und am weitesten links stehenden Freimaurer-Loge", berichtet Sauer. Die heimliche Heirat mit der Witwe Magdalena Kellermann führte zwar zu seiner Entlassung am Liechtenstein'schen Hofe. Aber nach ein paar Jahren in der Vorstadt und vielen Verlusten beim Glücksspiel kehrte Soliman zurück in den Dienst des Fürsten und wurde Erzieher des Erbprinzen Alois Joseph.

Angelo Soliman hatte also zu Lebzeiten den Aufstieg vom Haussklaven zum Kammerdiener und Hauslehrer am Hof geschafft. "Er war gut ausgebildet und integriert, durch seinen regen Briefverkehr - er schrieb meist auf Französisch - ist sein Leben in Wien gut dokumentiert", sagt Sauer. Für den Historiker stellten auch Gehaltslisten, Quittungen mit seiner Unterschrift und andere Dokumente wichtige Quellen dar, um das Leben Solimans zu rekonstruieren.

Am Ende ausgestopft und ausgestellt

Soliman starb 1796 in Wien. Was nach seinem Tode mit seinem Körper passierte, sollte aber ebenfalls in die Geschichte eingehen. Denn sein Leichnam wurde trotz großen Protests der Familie ausgestopft und er wurde zehn Jahre lang als halbnackter "Wilder" im "Physikalischen und astronomischen Kunst- und Natur-Tier-Cabinet" des Kaisers ausgestellt. Zehn Jahre später wurde der präparierte Leichnam mit anderen präparierten Leichen ins Depot geräumt, wo er dann während der Revolution im Jahre1848 beim Hofburgbrand zerstört wurde. Angelo Soliman war zeit seines Lebens gern gesehener Gast der höfischen Wiener Gesellschaft, aber ein Begräbnis wurde ihm auf grausame Weise verwehrt.

Sauer betont, dass man hinterfragen muss, "in welcher Rolle er Teil der Gesellschaft war" denn er war trotz allem nicht gleichrangiges Mitglied." Die Leichenschändung bezeichnet Sauer als Ausdruck des lokalen Rassismus und seinen Aufstieg am Hof als repressive Toleranz, "denn Soliman ist immer dazwischen gewesen." Ob die Ausstopfung mehrheitsfähig und die Ausstellung gut besucht gewesen ist, da ist sich Sauer nicht sicher, weil es an Quellen dazu fehlt. "Es herrschte eisiges Schweigen darüber", so der Historiker.

Was ihn aber stört, sind die Legenden, die sich danach um ihn rankten. Sauer will sich nicht nur auf die Grausamkeit der Ausstopfung fokussieren und hält nichts von all der "Kuriosität", mit der man auf Angelo Soliman zurückblickt. Für seinen Kollegen Amadou-Lamine Sarr, der in Senegal geboren und aufgewachsen ist, nach Wien zum Studieren gekommen und als Lektor hier geblieben ist, war Soliman "damals schon ein Mythos, der aber kein Mythos geblieben ist." Für Sarr ist das Leben Solimans immer noch "eine Vorstellung, die ich schwer nachvollziehen kann, weil er es so weit gebracht hat."

Negatives Afrika-Bild und Rassismus

Sarr weiß wie es Afrikanern heute in Wien ergeht. "Afrikaner oder Schwarzer bleibt man immer, egal ob man gut Deutsch spricht und eine gute Ausbildung hat. Teile der Gesellschaft sehen dich nicht als normalen Menschen an, das Inferioritätskonzept ist gleich geblieben", so der Historiker. Das Bild des Afrikaners sei ausschließlich negativ besetzt. "Das berühmteste Bild ist das des Drogendealers." Sarr vermisst die positiven Seiten Afrikas im aktuellen Diskurs. Sauer wünscht sich ebenfalls "ein längst überfälliges differenzierteres und realistisches Afrikabild." Afrika werde immer nur mit Kriegen und Katastrophen in Verbindung gebracht. Es gäbe entweder nur das rückständige oder das bedürftige Image. "Die Menschen werden marginalisiert. Ihre Fähigkeiten, wie ihre Mehrsprachigkeit, werden völlig außer Acht gelassen."

Das afrikanische Wien

Sarr und Sauer organisieren auch Spezial-Führungen durch das "Afrikanische Wien", die Bestandteil des umfangreichen Rahmenprogramms zur Soliman-Ausstellung sind. Bei den Führungen wird laut Sauer das, "was niemand sieht", gezeigt, Altarbilder in Kirchen zum Beispiel, die Afrikaner zeigen. Was sich Sauer auch noch wünscht, ist ein Denkmal für Angelo Soliman, dessen letzte Wohnung sich auf der Freyung befand. "Eigentlich dort, wo jetzt das Kunstforum ist, und gerade auch die Afrika-Ausstellung stattfindet."

Diese Ausstellung, die die Sammlung afrikanischer Kunstobjekte eines Finanzmanagers zeigt, ist übrigens nicht unumstritten. Schließlich wird auch da etwas hergezeigt, was eigentlich kulturelles Gut derjenigen ist, denen man die Objekte abgeknöpft hat. Wünschenswert wäre auch einmal ein (selbst-)kritischer Blick auf diese Sammlerwelt und ihr Zelebrieren der alten exotischen Afrika-Klischees. Wünschenswert wäre auch, dass Angelo Soliman mal eine Schulbuch-Seite ziert, damit auch der österreichische Geschichtsunterricht um eine Facette reicher wird. (Güler Alkan, 30. September 2011, daStandard.at)