Wien - Die Bestrebungen von Landwirtschafts- und Umweltminister Nikolaus Berlakovich (ÖVP), den umstrittenen Treibstoff E10 (Benzin mit knapp 10 Prozent Ethanol-Beimischung) im kommenden Jahr einzuführen, hat am Freitag für Diskussionen gesorgt. Während Arbeiterkammer und ARBÖ den Biosprit mit dem Argument "Lebensmittel gehören auf den Teller und nicht in den Tank" strikt ablehnen, hat der heimische Zuckerkonzern Agrana klargemacht, dass es für die E10-Einführung keiner zusätzlichen Getreideanbauflächen bedürfe. Auch die Landwirtschaftskammer verspritet lieber Pflanzen, als mehr Öl zu importieren.

Minister Berlakovich wolle die Preisspirale bei Nahrungsmitteln, insbesondere bei Zucker, weiter anheizen, empörte sich AK-Direktor Werner Muhm via Aussendung. Die Konsumenten würden in jedem Fall draufzahlen: Entweder Benzin würde sich um 2,5 Cent pro Liter verteuern oder "noch schlimmer" über die "vom Landwirtschaftsminister gewünschte besondere steuerliche Entlastung von 160 Millionen".

Zusatzflächen oder nicht

Mit der E10-Einführung komme Berlakovich "ausschließlich" den Wünschen der Agrarindustrie entgegen, allen voran der Agrana. Dem Argument, dass für E10 keine zusätzlichen Flächen gebraucht würden, könne die AK nicht folgen.

Laut Agrana deckt die österreichische Ethanolproduktion bereits jetzt den Bedarf für E10. Im Agrana-Bioethanolwerk im niederösterreichischen Pischelsdorf würden momentan jährlich rund 210.000 Kubikmeter Bioethanol hergestellt, teilte das Unternehmen mit. Den dafür benötigten Rohstoff bezifferte eine Sprecherin auf 500.000 Tonnen Getreide, davon etwa die Hälfte Mais und die Hälfte Weizen. "Bei Durchschnittserträgen entspricht das in etwa 70.000 Hektar" - das sind knapp 100.000 Fußballfelder. Woher das Getreide stammt? "Der Rohstoff kommt sowohl aus Österreich als auch aus den angrenzenden Nachbarländern"; genauere Angaben wurden nicht gemacht.

Genau der gleichen Meinung ist die Landwirtschaftskammer. "Trotz des Ausbaus der Beimischung von Bioethanol zu Benzin müssen in Europa und in Österreich keine Agrarflächen anderswo kompensiert werden und zudem ist der Einfluss auf die Agrarpreisentwicklung in Europa zu vernachlässigbar", so Präsident Gerhard Wlodkowski in einer Aussendung.

Eine deutliche Abfuhr erteilte indes auch der Autofahrerclub ARBÖ dem Kraftstoff E10, der in Deutschland massiven Problemen verursacht hat und von Autofahrern boykottiert wurde: "Solange Menschen an Hunger sterben müssen, weil Ackerbauflächen für die Produktion von Treibstoffen reserviert werden, kommt die Einführung von E10 in Österreich nicht in Frage. Der Umweltnutzen ist noch nicht nachgewiesen und viele Autos würden durch diese Kraftstoffmischung geschädigt."(APA)