Immer mehr Länder haben sie schon oder diskutieren ihre Einführung: die "Reichensteuer". Auch in der österreichischen Debatte taucht die "Reichensteuer" immer wieder auf - wobei unterschiedliche Ansatzpunkte denkbar und im internationalen Umfeld auch anzutreffen sind.

Am gängigsten ist eine höhere Besteuerung der oberen Einkommen. Irland, Griechenland und Portugal haben den Spitzensatz in der Einkommenssteuer um einige Prozentpunkte erhöht. Daneben gewinnen Zuschläge auf die Top-Einkommen an Bedeutung. Vorreiter ist Deutschland, das schon 2007 einen Zuschlag von drei Prozentpunkten auf Einkommen über 250.000 Euro einführte; die 40.000 obersten Einkommensbezieher zahlen nun einen Spitzensteuersatz von 47,5 Prozent. Großbritannien belegt Einkommen über 150.000 Euro seit 2010 mit fünfzig Prozent, das entspricht einem Zuschlag von zehn Prozentpunkten. Drei zusätzliche Prozentpunkte planen Italien, wo Einkommen ab 300.000 Euro künftig mit gut 47 Prozent besteuert werden, und Frankreich, das Einkommen ab 500.000 Euro mit knapp 50 Prozent besteuern will.

Auch US-Präsident Barack Obama hat eine höhere Besteuerung von Einkommensmillionären angekündigt. Die Alternative - eine stärkere Nutzung vermögensbezogener Steuern - ist weniger verbreitet: Spanien führt zeitlich befristet die 2007 abgeschaffte Vermögenssteuer wieder ein, und Griechenland besteuert ebenfalls vorübergehend Immobilien mit einer neuen Grundsteuer.

Sollte auch Österreich eine "Reichensteuer" einführen? Auch hierzulande, wo das gesamte Abgabensystem kaum progressiv wirkt, ist eine stärkere Besteuerung von Vermögenden durchaus diskutabel, wenn auch nicht zusätzlich. Vielmehr sollten "Reichensteuern" die Senkung der hohen arbeitsbezogenen Abgaben vor allem für die unteren und mittleren Einkommen gegenfinanzieren - was auch für Wachstum und Beschäftigung gut wäre.

Der Spitzensteuersatz ist in Österreich nominell mit fünfzig Prozent bereits jetzt genauso hoch oder sogar höher als die andernorts neu eingeführten "Reichensteuern". Wegen der begünstigten Besteuerung des 13./14. Monatsgehalts beträgt er tatsächlich aber nur 44 Prozent. Zielführender als die Anwendung eines noch höheren Spitzensteuersatzes auf eine weiterhin löchrige Steuerbasis wäre es daher, steuerliche Ausnahmen vor allem für die oberen Einkommen einzuschränken. Dann könnte der bestehende Spitzensteuersatz auch tatsächlich greifen. Außerdem besteht, wie auch der Economist in seiner aktuellen Titelgeschichte zum Thema "Besteuerung der Reichen" schreibt, in vielen Ländern und damit auch in Österreich Spielraum bei den Steuern auf Kapitalerträge.

Diese sind allenthalben wesentlich niedriger als jene auf Arbeitseinkommen. Vor allem aber haben im österreichischen Abgabensystem bestimmte vermögensbezogene Steuern Platz, die andere Länder viel stärker ausschöpfen: neben einer Grundsteuer auf der Basis von aktualisierten Einheitswerten auch eine reformierte Erbschafts- und Schenkungssteuer. Diese Steuern können mithilfe angemessener Freibeträge beziehungsweise steuerlicher Ermäßigungen als "Reichensteuern" ausgestaltet werden: Sie träfen dann nicht den Mittelstand, sondern die höheren Vermögen. Insgesamt wäre aber vor allem eine Steuerreformkommission notwendig, um die diversen Reformen in eine umfassende Gesamtstrukturreform zu integrieren. (DER STANDARD; Print-Ausgabe, 1.10.2011)