
Herbert Föttinger als Unternehmer Hofreiter in Arthur Schnitzlers "Das weite Land". Foto: Stadttheater Klagenfurt
Klagenfurt - Selten hat das Publikum Gelegenheit, hautnah zu erleben, welche Varianten Theater bietet. Derzeit verschafft den Zusehern dieses Glück ein Jubiläum, denn Arthur Schnitzlers Das weite Land wurde erstmals vor 100 Jahren auf der Bühne gezeigt. Vergleichen kann das Publikum die von Alvis Hermanis inszenierte Film-Noir-Variante des Stückes am Wiener Burgtheater mit der Interpretation im Stadttheater Klagenfurt. In Szene gesetzt hat Letztere der scheidende Stadttheaterintendant Josef E. Köpplinger für die Wiener Josefstadt.
Schnitzlers Beziehungsdrama kommt in Klagenfurt in spartanischem Gewand daher. Ein paar Stühle und ein Klavier im White Cube. Im Mittelpunkt der Szene steht ein Baum, der Schatten wirft und fallweise ein Bild an die Wand malt. Ansonsten ist da nur Schauspiel, Schauspiel und wieder Schauspiel.
Ein entfesselter Herbert Föttinger mimt raubtierartig den Unternehmer Friedrich Hofreiter. Helmut Lohner und Gertraud Jesserer bringen Wiener Bühnenglanz nach Klagenfurt. Sandra Cervik als Genia Hofreiter und Gerti Drassl als Erna reflektieren mit ihrem eindringlichen Spiel die gesellschaftliche Rolle der Frau.
Immer wieder blitzt dabei die ungeheure Aktualität des Textes hervor. Zwischenmenschliche Beziehungen werden seziert. Der heuchlerische Umgang mit dem Thema Ehe und Treue - diesem gesellschaftlichen Normativ - wird auf der Bühne anschaulich.
Als aus dem von Schnitzler im Stück beschworenen Spiel Ernst wird, ist der Spannungsbogen des dreistündigen Sittenbilds schon längst gebrochen. Das weite Land, geschrieben im Geist des Wiener Bürgertums des Fin de siècle, scheint für das Bildungsbürgertum inszeniert und wurde von selbigem bei der Kärntner Premiere auch freundlich beklatscht.
Anfang Oktober bietet sich in München die nächste Möglichkeit, einen weiteren Schnitzler-Vergleich zu ziehen. Martin Kusej eröffnet seine Intendanz am Münchner Residenztheater mit demselben Stück. (Sabine Zwitter, DER STANDARD - Printausgabe, 1./2. Oktober 2011)