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Dries Van Noten ist der mit dem Pinsel in der Mode: Mit feinem Strich koloriert der Belgier seine Kreationen. Das kommende Frühjahr ist bei ihm in Grau- und Azurtöne getaucht.
Gleich die erste Show ein Höhepunkt: Die Zeiten, als die Pariser Modewoche erst nach einigen Tagen in Fahrt kam, sind schon länger vorbei.
Dries Van Noten, der Belgier aus Antwerpen, eröffnete mit einer seiner besten Kollektionen die Pariser Designerschauen für Frühjahr/Sommer 2012. Sie schließen nahtlos an jene von Mailand an (siehe Artikel unten). Dabei überrascht der Meisterkolorist, der half, Farbe und Dessins in der Mode zu etablieren, mit flächigem Schwarz-Weiß und Fotodrucken in Grautönen. Behutsam lässt er Farbe aufschimmern, indem er Meereswellen oder den tropischen Regenwald smaragdgrün koloriert. Neu sind hingegen zeltweite Mäntel und Torero-Stickereien an Jacken, zu denen ihn die große Balenciaga-Ausstellung in San Francisco inspirierte.
Großes kreatives Feuerwerk
Die ersten Tage der Pariser Modewoche sind mittlerweile ein großes kreatives Feuerwerk. Knüpft Marco Zanini bei Rochas mit Fünfzigerjahre-Eleganz an die Tradition des einstigen Couturehauses an und zeigt mit Seidenduchesse, wie schön fast knöchellange Glockenröcke schwingen, so verwirrt Bernhard Willhelm mit einer wilden Trash-Performance in einer Kunstgalerie. Fast trotzig lassen plakative Farben, provokante Wegschnitte und zufällige Drapierungen immer wieder das Talent des "Enfant terrible" aufblitzen.
Aber auch Nicola Formichetti beweist bei Mugler, dass er mehr kann, als nur Lady Gagas Chefstylist zu sein. Dabei bewegt er sich dicht an den schulterbetonten Entwürfen des einstigen Eighties-Kultdesigners, die er mit gerissenen Säumen und abenteuerlichen Ausschnitten ins Hier und Heute beamt.
Auch Nicolas Ghesquière, noch immer einer der strahlendsten Sterne des Pariser Prêt-à-porter, provoziert. Bei Balenciaga zeigt er die kürzesten Shorts unter starren, fast gleichlangen, voluminösen Patchwork-Jacken. Die Konfrontation unterschiedlichster Stoffe ist sein Thema, und so trifft Glattes auf Strukturiertes, Seide auf Techno, Festes auf Fließendes. Hochgezogene Bundlösungen zaubern dazu Endlosbeine, und beim Finale verblüffen koreanisch anmutende lange Seidenkleider.
Rock-'n'-Roll-Feeling ist weg
Hat der Weggang von Designer Christophe Decarnin bei Balmain Konkurrent Ghesquière um seinen Gegenpol gebracht? Vorerst vielleicht, denn der neue Designer, der erst 25-jährige Olivier Rousteing, macht dort weiter, wo sein einstiger Chef aufhörte. Doch das ungebändigte Rock-'n'-Roll-Feeling ist weg. Dafür sind die überstrickten, strassfunkelnden, goldstrotzenden Jacken, Jeans und Minituniken viel zu "nouveau rich"! Mit ihnen wird Luxus fast "ad absurdum" geführt.
Und so war die eigentliche Sensation der frühen Tage die feine, stille, sehr innovative Kollektion des jungen Guillaume Henry für das einst sehr konventionelle Couturehaus Carven. Er entwirft für mädchenhafte Frauen, die aussehen, als wären sie gerade ihren kurzen Kleidchen mit den hochgezogenen Taillen entwachsen.
Elegante, wadenlange Futteralkleider wirken, als hätte man sie heimlich aus Mamas Kleiderschrank stibitzt. Dazu passen zugeknöpfte Hemdkrägelchen über Ausschnitten, wo sie niemand vermutet. Spitzenblenden zeigen unerwartet Haut, und fröhliche Zickzackdessins kolorierten in Mimose, Himbeere und Weiß, jung und frisch, den diskreten Charme der Bourgeoisie. (Peter Bäldle/DER STANDARD/Printausgabe/01.10.2011)