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Posthume Ehre: Ralph Steinman starb drei Tage vor der Krönung seines Lebenswerks.

Fotos: Mike Groll/AP/dapd

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Die Immunologen Bruce Beutler (r.) und Jules Hoffmann (l.) entdeckten zwei der sogenannten "tollähnlichen Rezeptoren", die krankmachende Mikroorganismen erkennen.

Fotos: REUTERS/Pascal Disdier/CNRS - REUTERS/The Scripps Research Institute

Stockholm/Innsbruck/Wien - Zunächst dachte man sich noch nichts dabei: Der kanadische Immunologe Ralph Steinman, dem am Montag kurz vor zwölf Uhr in Stockholm zusammen mit seinen Kollegen Bruce Beutler (USA) und Jules Hoffmann (Luxemburg) der Medizin-Nobelpreis zuerkannt wurde, konnte am Montag unmittelbar vor der Bekanntgabe telefonisch nicht erreicht werden.

Wenige Stunden später wurde klar, was der Grund dafür war: Der Entdecker der dendritischen Zellen des Immunsystems war am Freitag im Alter von 68 Jahren gestorben. Beim Immunologen wurde bereits vor vier Jahren Bauchspeicheldrüsenkrebs diagnostiziert. In Stockholm hieß es, das Nobel-Komitee hätte noch nicht von seinem Tod gewusst.

Unklar war daher zunächst, wie das Karolinska-Institut mit dem tragischen Fauxpas umgeht: Laut Statuten der Nobelpreisstiftung kann der mit rund einer Million Euro dotierte Nobelpreis nicht posthum zuerkannt werden. Die schwedischen Juroren prüften bis Montagabend eine mögliche Änderung bei der Vergabe des diesjährigen Medizin-Nobelpreises. Ihr Ergebnis: Der verstorbene Immunforscher behält seine Ehrung. In der Erklärung der Stiftung heißt es, die Juroren hätten die Entscheidung am Freitag um 14.30 Uhr getroffen, ohne von Steinmans Tod um 11.30 Uhr etwas zu wissen.

Steinman scherzte kurz vor seinem Tod noch über Nobelpreis

Steinman hat kurz vor seinem Tod noch über die Auszeichnung gescherzt. Ihr Vater habe geahnt, dass er auch in diesem Jahr wieder in der engen Auswahl für den Nobelpreis sei, berichtete seine Tochter Alexis Steinman am Montag der Nachrichtenagentur AFP. Der 68-Jährige sei wegen seiner jahrelangen Krebserkrankung am 25. September ins Krankenhaus eingeliefert worden. "Die Ärzte haben uns gesagt, dass sein Zustand sehr schlecht ist." Die Familie habe Steinman daraufhin scherzhaft aufgefordert, "noch bis Montag durchzuhalten, bis zur Verkündung der Preisträger".

Ihr Vater habe gewusst, wie es gemeint war, sagte Alexis Steinman weiter. "Ich glaube nicht, dass ich es hinbekomme, im Dezember (zur Verleihung der Nobelpreise) zu verreisen", habe der Patient geantwortet. Der Immunologe habe zwar immer gehofft, eines Tages vielleicht den Nobelpreis zu bekommen, berichtete die 34-jährige Tochter weiter. "Aber er war ein bescheidener Mann. Er hat immer gesagt: Es gibt so viele hervorragende Wissenschaftler, sie werden jemand anderes auswählen."

Abgesehen von der Panne fand die Auswahl der Medizin-Nobelpreisträger unter Fachkollegen viel Zustimmung: "Genau diesen drei Forschern gebührt die Ehre", sagte etwa Josef Penninger, Österreichs bekanntester Immunologe, in einer ersten Reaktion.

Laut der Begründung des Karolinska-Instituts haben die Laureaten "unser Verständnis des Immunsystems revolutioniert, indem sie Grundmechanismen seiner Aktivierung entdeckt haben" .

Die Wissenschaft hatte lange nach jenen "Wächtern" gesucht, die Abwehrreaktionen steuern, mit denen sich Mensch oder Tier meist erfolgreich gegen den Angriff von Bakterien schützen.

Bruce Beutler und Jules Hoffmann wurden bei ihren Forschungen an Fruchtfliegen und Mäusen fündig: Sie entdeckten zwei der sogenannten "tollähnlichen Rezeptoren", die krankmachende Mikroorganismen erkennen - und damit Grundmechanismen des angeborenen Immunsystems darstellen.

Ralph Steinman wiederum hat mit den dendritischen Zellen jene Zellen identifiziert, welche weitere Antworten gegen bestimmte Krankheitserreger aktivieren. An dieser Entdeckung wird auch in Österreich weitergeforscht: So entwickelt der Innsbrucker Dermatologe Nikolaus Romani, der 1987/88 Post-Doc bei Steinman war, im Rahmen von Onkotyrol damit mögliche Krebstherapien.

Der Weg könnte viel versprechend sein: Die US-Zulassungbehörde FDA genehmigte erst im Vorjahr die erste Krebsimpfung, die auf dendritischen Zellen beruht. Immerhin diesen Erfolg konnte Steinman noch erleben, der sich selbst ebenfalls mit diesen Zellen behandelt hatte. (Klaus Taschwer/red/DER STANDARD, Printausgabe, 4.10.2011)