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Die diesjährigen Physikpreisträger: Saul Perlmutter, Brian P. Schmidt und Adam G. Riess (von links).

Foto: APA/EPA/ID PHOTOGRAPHICS - Lawrence Berkeley National Lab - The John D. and Catherine T. MacArthur Foundation, Gail Burton/AP/dapd

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Die drei Physik-Nobelpreisträger 2011 wollten mittels Sternexplosionen eigentlich das Universum ausmessen. Sie entdeckten dabei etwas völlig Unerwartetes: dass sich das Universum viel schneller ausdehnt als gedacht.

Die Aufnahme des Hubble Weltraumteleskops zeigt die Überreste der Supernova N 63A in der rund 160.000 Lichtjahre entfernten Großen Magellanschen Wolke. Für den Nachweis der beschleunigten Expansion des Universums bedienten sich die Physiknobelpreisträger allerdings Supernovae, die in wesentlich größerer Entfernung liegen.

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Umfassender als die Vermessung des Universums kann Forschung kaum sein. Und genau dafür wurde der diesjährige Physik-Nobelpreis vergeben - konkret: an die US-Amerikaner Saul Perlmutter, Adam Riess und Brian P. Schmidt. Die Astrophysiker haben in zwei Teams Sternenexplosionen (Supernovae) gesucht, die besonders weit entfernt sind. Supernovae galten den Forschern als ausgezeichnete Indikatoren, weil sie heller leuchten können als eine ganze Galaxie, und sich, auch wenn sie weit von der Erde entfernt sind, noch messen lassen.

Alles in allem waren es etwa 50 solcher Supernovae, deren Licht allerdings schwächer war, als es nach Berechnungen sein müsste. Die Schlussfolgerung: Das Universum dehnt sich weitaus schneller aus als davor angenommen - und zwar mit zunehmender Geschwindigkeit. Die Wissenschafter hätten damit "die Kosmologie in ihren Grundfesten erschüttert", lobte die Königlich-Schwedischen Akademie der Wissenschaften am Dienstag bei der Preisträger-Bekanntgabe in Stockholm.

Universum wird zu Eis

Die 1998 vollendeten Arbeiten der Laureaten beschrieben auch ein Szenario, wohin die beschleunigte Ausdehnung führt: Die Materie soll demnach zu Eis erstarren. Eines der Teams wurde von Perlmutter von der University of Berkeley geleitet. Im anderen von Schmidt (National University Australien) spielte Riess (John Hopkins University) eine entscheidende Rolle. Der mit umgerechnet 1,09 Millionen Euro dotierte Preis wird also doppelt halbiert.

Perlmutter gilt als Supernova-Experte. Er hatte bereits 1988 ein Projekt zur Beobachtung explodierender Sterne (Supernova Cosmology Project) ins Leben gerufen. Begünstigt von immer besser werdenden Teleskopen und Computern begannen Schmidt und Riess 1994 mit ihrem Projekt "High-z Supernova Search". Beide konkurrierten zunächst miteinander.

Bei den untersuchten Supernovae vom Typ Ia handelte es sich um sehr alte, kleine Sterne, die vor der Explosion stehen, die nur die Größe der Erde haben. Sie saugten jedoch soviel Materie von einem sie begleitenden Stern auf, dass sie sich, trotz dieser geringen Größe, zur Masse der Sonne aufpumpten, bis sie explodierten.

Bei der im Anschluss an die Nobelpreis-Bekanntgabe eingerichteten Telefonkonferenz mit dem in Australien lebenden Schmidt beschrieb der Preisträger, welche Gefühle er bei der bahnbrechenden Entdeckung hatte: "Es war ein verrücktes Ergebnis, so wie wenn man einen Ball in die Luft wirft und er weiter nach oben steigt, statt zurückzufallen", sagte Schmidt.

"Wir versuchten herauszufinden, was wir denn falsch gemacht hatten. Aber wir fanden einfach keine Fehler", sagte er. Die einzige Erklärung für die geringe Lichtstärke der Explosionen sei gewesen, dass sich das Universum mit stetig steigender Geschwindigkeit ausdehnt. Vor der Präsentation vor Fachkollegen habe man zunächst Bedenken gehabt. "Wir waren etwas ängstlich, es war zu verrückt, um wahr zu sein", beschreibt Schmidt.

Über die Auszeichnung freue er sich sehr. "Es fühlt sich so an wie die Geburt meiner Kinder. Ich bin ganz weich in den Knien", sagte der frisch gebackene Nobelpreisträger während der live im Netz übertragenen Pressekonferenz.

Dank an Einstein

Schmidt dankte unter anderem auch Albert Einstein. Der hatte nämlich 1917 mit seinem Kollegen Willem de Sitter beschrieben, dass sich das Universum vermutlich vergrößere. Allerdings beschrieben sie es damals fälschlicherweise als statischen Vorgang. Trotzdem keine schlechte Leistung für 1917, so Schmidt.

Die drei Nobelpreisträger lieferten die ersten Beweise für die rasante Ausdehnung des Universums. Unklar ist weiterhin, was ihre Beschleunigung antreibt. Bislang wird diese Unbekannte als "Dunkle Energie" bezeichnet. Sie soll drei Viertel des Weltalls ausmachen. Ihre Zusammensetzung bleibe "das vielleicht größte Rätsel der Physik", hieß es bei der Pressekonferenz.

Die Szientometrie-Experten von Thomson Reuters, mit ihren Vorhersagen oft erfolgreich, hatten keinen der drei Laureaten auf ihrer "Shortlist". Die Experten hatten heuer die Quantenphysiker Alain Aspect, John F. Clauser und Anton Zeilinger favorisiert, die 2010 den renommierten Wolf-Preis für Physik gewannen. Der Österreicher wird schon seit mehreren Jahren als heißer Physik-Nobelpreis-Kandidat gehandelt. Auch der Theoretische Physiker Peter Zoller von der Universität Innsbruck wird immer wieder genannt. Vielleicht klappt es ja nächstes Jahr. (DER STANDARD, Printausgabe, 05.10.2011)

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Nobelpreisträger kommen nach Wien

Wenn schon seit langem (1973 bzw. 1974) kein naturwissenschaftlicher Nobelpreisträger mehr aus Österreich kam, so kommen Laureaten noch gerne hierher. Das mittlerweile bereits 6. Wiener Nobelpreisträgerseminar findet vom 11. bis 13. Oktober statt, teilnehmen werden die vier Physik-Laureaten Albert Fert (2007), Theodor W. Hänsch (2005), Gerard 't Hooft (1999) sowie George F. Smoot (2006). Am 11. Oktober gibt es eine Veranstaltung im Wiener Rathaus, am 12. Diskussionen an der Uni und TU Wien, tags darauf an der Wirtschaftskammer Österreich. Der Eintritt ist frei. (red)

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