Ute Bock fuhr gemeinsam mit Eva Glawischnig und dem Wiener-Grünen-Klubchef David Ellensohn in der Bildungs-Bim.

Foto: derStandard.at/Lisa Aigner

Abfahrt am Karlsplatz in Wien.

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Glawischnig fordert Unzufriedene auf, das Bildungsvolksbegehren zu unterschreiben.

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Die Flüchtlingshelferin Ute Bock war selbst auch als Erzieherin tätig.

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"Wir bilden das Gesindel von morgen." Die Flüchtlingshelferin Ute Bock ist bekannt dafür, sich kein Blatt vor den Mund zu nehmen. Auch zum Thema Bildungspolitik hat sie etwas zu sagen. "Wer keine gute Ausbildung hat, ist kein netter Mitbewohner", sagt Ute Bock. Die Fahrgäste lauschen ihren Erklärungen am Weg vom Karlsplatz zum Prater in der Straßenbahn.

Die Grünen haben zur Fahrt mit der "Bildungs-Bim" geladen. Unter dem Motto "Bildung in Bewegung" fährt die Straßenbahn am Montagabend durch den ersten und zweiten Wiener Bezirk. Die Grünen wollen mit der Fahrt für das Bildungsvolksbegehren werben. Es soll über das österreichische Bildungssystem diskutiert werden. Geladen sind neben Ute Bock, der Vizerektor der Wiener Wirtschaftsuniversität (WU), Michael Meyer, und Angie Rattay vom "Neongreen Network" - ein Verein zur Förderung umweltrelevanter Designprojekte.

Unzufriedene sollen unterschreiben

"Viele sind unzufrieden mit den Schulen und den Universitäten", sagt die Grünen-Klubchefin Eva Glawischnig im Gespräch mit derStandard.at. Nun müsse man das Zeitfenster bis zum Bildungsvolksbegehren nutzen, um die Menschen zum Unterschreiben zu motivieren. "Je näher der Wahltag rückt, umso offener werden die Ohren der Regierungsparteien", glaubt Glawischnig. Sie hofft, dass viele "Unzufriedene die Chance ergreifen" und unterschreiben. 

Blumenstock und grüner Teppich

Die Grünen-Chefin nimmt in der Straßenbahn Platz. An den Fenstern kleben Kinderzeichnungen der "Bildungs-Bim". Zwei grüne Teppiche und ein Blumenstock sorgen für ein wenig "Grünen-Flair" in der Straßenbahn. Auch die Nationalratsabgeordneten Kurt Grünewald und Daniela Musiol steigen ein. Überhaupt scheinen die Fahrgäste - bis auf die geladenen Diskussionsteilnehmer - hauptsächlich Anhänger der Grünen zu sein. Man kennt sich.

Rund um Glawischnig haben die Teilnehmer der Diskussion zur österreichische Bildungspolitik Platz genommen. Ute Bock hat selbst als Erzieherin gearbeitet. "Wir sollten den Asylwerbern wenigstens eine gescheite Bildung mitgeben, auch wenn sie abgeschoben werden, ob sie die dann in Belgien oder Deutschland anwenden können, ist wurscht", ist sie überzeugt. Es sei immer schwieriger für ihre Schützlinge, einen Ausbildungsplatz, zu finden. 

Über Fächerkanon hüpfen

Michael Meyer von der WU erzählt von Studien seiner Uni, die belegen, dass die soziale Herkunft in Österreich noch immer den Bildungsweg bestimmt. "In Österreich ist das schärfer als in anderen europäischen Ländern", sagt er. Die gemeinsame Schule sei zwar kein Allheilmittel, würde hier aber sicher Abhilfe schaffen. Meyer kritisiert, dass es in Österreich schwer sei, über den Fächerkanon "drüberzuhüpfen" und darüber hinaus zu unterrichten. Die Hörigkeit gegenüber Autoritäten sei im Land sogar so groß, dass sich Eltern in der Schule die Direktorin nicht zu kritisieren trauen, aus Angst, so ihren Kindern die Schulkarriere zu verbauen.

Während der Fahrt ist es inzwischen dämmrig geworden. An den Stationen, an denen die "Bildungs-Bim" vorbeifährt, werfen einige Passanten  einige neugierige Blicke in die Straßenbahn, aber niemand steigt ein. Am Prater macht die Bim Halt. "Rauchpause", tönt Glawischnig ins Mikrophon. "Und das aus deinem Munde", antwortet ein Fahrgast verschmitzt. Bei der Rückfahrt steigen an der einzigen Haltestelle zwei verirrte Touristinnen zu, die den Fahrer bitten, stehen zu bleiben, um wieder aussteigen zu können.

Die perfekte Schule

"Wie sähe die perfekte Schule aus?", fragt Glawischnig, die sich nicht aus der Ruhe bringen lässt, in die Diskussionsrunde. "Das ist eine Schule, die keinen Unterschied zwischen Arm und Reich, Ausländern und Inländern und Schülern mit engagierten und nicht engagierten Eltern macht", sagt Ute Bock. Ihre Eltern seien nämlich nie zum Elternsprechtag gegangen, was bei den Lehrern und Lehrerinnen wohl nicht gern gesehen war. "Die Kinder sollen mehr eingebunden werden und den Unterricht mitbestimmen können, das fördert die Kreativität", wünscht sich Angie Rattay vom Neongreen Network. "Das wichtigste sind hochmotivierte Lehrer", glaubt Vizerektor Meyer. 

Nicht auf Lehrer hinhauen

Die Lehrer melden sich auch gleich zu Wort. Glawischnig hätte zwar fast vergessen, Statements aus dem Publikum zu erfragen, wird aber noch auf ihr Versäumnis aufmerksam gemacht. In der Bim fahren auch jene Lehrer mit, die sich für das Bildungsvolksbegehren engagieren. Die ehemalige Direktorin Heidi Schrodt warnt davor, "undifferenziert auf die Lehrer hinzuhauen". Es gäbe viele, die trotz der Schwierigkeiten des Systems gute arbeiten leisten. Lehrer Daniel Landau appelliert an die Fahrgäste, das Volksbegehren zu unterschreiben, sobald man einen Punkt für gut befindet und nicht nur dann zu unterschreiben, wenn man mit allen Punkten einverstanden ist. 

"Nicht in Schublade verschwinden lassen"

Landau wird darin sofort von Glawischnig unterstützt. Sie verspricht, dass die Grünen im Parlament dafür sorgen werden, dass jeder Punkt des Begehrens tatsächlich diskutiert wird und nicht "in der Schublade verschwindet".

Es ist dunkel geworden. Die Bim fährt wieder am Gleis der Badner Bahn am Karlsplatz ein. In einer viertel Stunde startet die zweite Runde mit neuen Diskussionsteilnehmern. Vielleicht steigen diesmal auch Bürger ein, die nicht bei den Grünen engagiert sind. (Lisa Aigner, derStandard.at, 4.10.2011)