Über einen Zeitraum von vier Wochen werden die Plakate mit dem prophetischen Ausspruch in Wien, St. Pölten, Baden, Krems und Wiener Neustadt hängen.

Foto: Mascha Dabic

Die Homepage der Islamischen Föderation Wien ist seit dieser Woche nicht mehr abrufbar.

Foto: Islamische Föderation Wien

In der U-Bahn, beim Warten auf die Straßenbahn und vor den Bushaltestellen kann man in Wien derzeit auf ein blaues Plakat mit arabischem Schriftzeichen, versehen mit einem Zitat Mohammeds, des Propheten stoßen. Die Gewista, Monopolistin der Wiener Außenwerbungs-Unternehmen schlechthin, verdient dieses Jahr nicht an Wahlkampfparolen, sondern mit der, seit 2006 alljährlich über die Bühne gehenden Hadith*-Kampagne der Islamischen Föderation Wien.

Die Kampagne startete am 22. September. Über einen Zeitraum von vier Wochen werden die Plakate mit dem prophetischen Ausspruch nicht nur in Wien, sondern auch in St. Pölten, Baden, Krems und Wiener Neustadt hängen. Die öffentliche Hadith-Kampagne ist Teil des Projekts "Aufruf zur gesellschaftlichen Solidarität", das 2006 ins Leben gerufen wurde.

In der diesjährigen Pressekonferenz dazu zeigte sich Muhammed Turhan, Vorsitzender der Islamischen Föderation Wien, davon überzeugt, "dass diese Programme in vieler Hinsicht ein Vorzeigemodell einer erfolgreichen Kooperation zwischen der Republik Österreich und seinen muslimischen Bürgern für ganz Europa sind!" Und meint damit neben der Plakat-Aktion auch den jährlich stattfindenden Koran-Rezitationswettbewerb, der ebenfalls von der Islamischen Föderation Wien organisiert wird.

Mir kommen über die Vorzeigewirkung der Plakataktion allerdings Zweifel auf. Erstens scheint es eher kontraproduktiv zu sein, die Stadt mit Plakaten, die den Propheten preisen, zuzukleistern. Denn das ist nur einseitige Kommunikation und noch keine Interaktion. Werden die auf die Busse und Straßenbahnen wartenden Menschen deswegen ein besseres Bild vom Islam haben? Einige Gemüter wird das eher erregen, denn die werden jetzt noch mehr die Dominanz des Islams in der Öffentlichkeit beklagen.

Letztes Jahr rief der beworbene Hadith wohltätig zu sein, denn "Spenden vermindert nicht das Vermögen." Die Jahre davor wurde daran appelliert nicht satt zu schlafen, wenn der Nachbar hungert, und daran, dass jener angesehen ist, der seine Familie achtet. Dieses Jahr steht folgendes in großen Lettern auf den Plakaten: "Hochachtung gebührt demjenigen, der der Gesellschaft dient."

Was mich – trotz vermeintlich guter Absichten der Aktion – dabei irritiert ist generell der Platz, der einer Religion, egal um welche es sich hierbei handeln sollte, im öffentlichen Bereich zur Verfügung gestellt wird. Bei einer strikten Trennung zwischen Religion als private Anschauungssache und dem öffentlichen Bereich, als frei von jedweder religiöser Werbung, sind diese Plakate fehl am Platz. Um eines vorweg klar zustellen, ich bin nicht die empörte Europäerin, die sich vom Islam bedroht fühlt, sondern eine Europäerin, die an die Notwendigkeit einer säkularen Gesellschaft glaubt. In solch einer Gesellschaft gehören Lobpreisungen für den Herrn oder einen Propheten ins Private.

Die Islamische Föderation Wien versteht sich offiziell als zivile, humanitäre Organisation. Sie ist aber unter Experten "als österreichischer Ableger der fundamentalistischen türkischen Milli Görüş-Bewegung des ehemaligen und mittlerweile verstorbenen türkischen Ministerpräsidenten Necmettin Erbakan bekannt." Darauf hat Thomas Schmidinger, Politikwissenschafter und Verfasser des "Handbuchs für politischen Islams", bereits 2007 im Österreichischen Jahrbuch für Politik aufmerksam gemacht. Die Milli Görüş-Bewegung steht in Deutschland unter Beobachtung des Verfassungsschutzes und wird als "islamisch-extremistisch" eingestuft. Ihr wird eine "ideologisierte Interpretation des Islams" attestiert.

Auf der Homepage der Islamischen Föderation Wien, die seit dieser Woche plötzlich nicht mehr abrufbar ist und offensichtlich gesperrt wurde, ist davon wenig zu lesen gewesen. Friede, Toleranz, Solidarität waren die Stichworte. Mohammed wurde als Vorbild gepriesen und die Authentizität der Hadithe, der Überlieferungen über den Propheten, hervorgehoben. Auffallend oft war auf der Homepage der IFWien die Betonung des Korans und der damit verbundenen Regeln für Muslime als Erst-Instanz und Maßstab für die persönliche Lebensführung in einer durch Religion miteinander verbundenen Gesellschaft.

Welchen Platz Nicht-Religiöse in dieser Gesellschaft haben, wurde nicht erläutert. Eine Pressaussendung aus dem Juni 2010 fiel aber durch wenig zurückhaltende Sprache auf. Da wird Israel als anlässlich der Vorkommnisse auf der Gaza-Flotte als "Schandfleck" bezeichnet. Die Milli Görüş-Bewegung fiel insbesondere auch unter Erbakan mit öffentlich geäußertem Antisemitismus auf. Die Islamische Föderation Wien selbst sieht sich allerdings nicht als Ableger der Milli Görüş.

Antisemitismus, Nationalismus und die ideologisierte Islam-Interpretation können auch nicht nur der Milli Görüş zugeschrieben werden. In der Türkei rief Mehmet Aydin, AKP-Religionsminister, schon 2005 gegen "missionarische Umtriebe" von Christen auf, einer Hetzkampagne, der sich viele türkische Medien anschlossen. Dies bringt mich wiederum zur letzten Frage. Würde sich die Islamische Föderation Wien bzw. ihre Mutterorganisation Milli Görüş auch in der Türkei für ähnliche Plakat-Aktionen mit Bibelsprüchen auf Bushaltestellen oder gar für Werbung von atheistischen Vereinigungen stark machen?

Würde der Religion und Religiosität sowohl in der türkischen als auch in der österreichischen Öffentlichkeit aber weniger Aufmerksamkeit geschenkt werden, hätte sich meine letzte Frage wohl erübrigt. Und wir könnten uns wichtigeren Themen als Religionsplakaten in der U-Bahn oder Jesus-Kreuzen in Schulklassen widmen.