Wien - Die Entdeckung des diesjährigen Chemie-Nobelpreisträgers Daniel Shechtman rührte für Erich Zobetz vom Institut für Chemische Technologien und Analytik der Technischen Universität (TU) Wien "an den Grundfesten der klassischen Kristallographie". Es sei "ein Wunder, dass das ganze gegen alle Widerstände publiziert wurde und nicht in der Schublade verschwunden ist", sagte Zobetz, der zu dem Thema habilitiert hat. Sehr viele andere Wissenschafter hätten aufgegeben.

Zu finden ...

Bis Anfang der 1980-Jahre, als Shechtman erstmals Quasikristalle entdeckte, teilte man Festkörper in zwei Klassen ein: solche mit einer periodischen Struktur, also Kristalle, und solche, denen jegliche Ordnung fehlt, sogenannte amorphe Festkörper. Ein Kristall muss dabei nicht unbedingt als solcher mit freiem Auge erkennbar sind, wie etwa ein Salzkristall. Auch ein Stück Eisen besteht aus vielen einzelnen Kristallen, sogenannten Kristalliten.

Ob ein Festkörper eine periodische Struktur hat oder nicht, offenbart er im sogenannten Beugungsbild. Dabei wird ein Körper mit Röntgen- oder Neutronenstrahlen durchleuchtet. 1912 entdeckte der deutsche Physiker Max von Laue die Beugung von Röntgenstrahlen an Kristallen und erhielt dafür zwei Jahre später den Nobelpreis.

Handelt es sich um einen Kristall, dann sind die Atome in dem durchstrahlten Körper periodisch angeordnet. Dann entsteht ein sogenanntes diskretes Beugungsbild - mit großen "unbeleuchteten" Bereichen und Strahlungsmaxima nur an bestimmten Punkten. Deren Lage ist abhängig von der Kristallstruktur des Körpers. Im Gegensatz dazu haben amorphe Körper ein ganz diffuses Beugungsbild.

... was vermeintlich nicht zu finden sei

"In den Beugungsbildern von klassischen dreidimensionalen Kristallen durften sich bis Shechtmans Entdeckung nur bestimmte Drehsymmetrien zeigen, nämlich 2-, 3-, 4-, und 6-zählige Symmetrien", so Zobetz. Eine Drehsymmetrie besagt, wie oft man einen Körper um eine Achse drehen muss, bis er wieder mit sich selbst in Deckung kommt. Dreht man ein Objekt um 180 Grad und es sieht wieder genau so aus wie in der ursprünglichen Lage, hat es eine 2-zählige Symmetrie. Ein Quadrat muss man nur um 90 Grad drehen, dann sieht es identisch wie vorher aus, es ist daher 4-zählig.

Shechtman hat aber Beugungsbilder von Festkörpern gemacht und fand darin 5-, und 10-zählige Symmetrien. Anfangs habe sich die Kristallographie sehr schwer damit getan, mittlerweile habe man aber unzählige Quasikristalle gefunden, so Zobetz.

Mögliche Anwendungen

Als Beispiel für Anwendungen von Quasi-Kristallen nennt das Nobelpreis-Komitee die Innovation einer schwedischen Firma, die besonders harten Stahl hergestellt hat. In Analysen zeigten sich in dem Gefüge Quasi-Kristalle. Aufgrund seiner besonderen Eigenschaften eignet sich das Material vor allem zur Produktion von Rasierklingen und dünnen Nadeln, wie sie in der Augenchirurgie eingesetzt werden.

Die geringe Wärmeleitfähigkeit von Quasi-Kristallen könnte auch zu Anwendungen in sogenannten thermoelektrischen Materialien, die Hitze in Elektrizität umwandeln können, führen. Außerdem experimentieren Wissenschafter am Einsatz der Kristalle in Komponenten für LED-Leuchtdioden und Hitzeisolationen aller Art, schreibt das Nobelpreis-Komitee. (APA)