ModeratorIn: Wir begrüßen den Schriftsteller Franzobel im Chat zum Thema Rauchen und freuen uns auf eine unterhaltsame und aufschlussreiche Diskussion.

Franzobel: Kalimera. Servas die Madl'n, griaß eich die Buam!

UserInnenfrage per Mail: Die Tabakindustrie besteht aus multinationalen Konzernen, die nicht gerade für ihre Politik ökologischer Nachhaltigkeit bekannt sind. Sind Sie der Meinung, dass der Protest gegen die ohnehin schwächlichen Rauchverbote in Österreich es lohnt, diese I

Franzobel: Vorweg, Rauchen ist eine Sucht, die krebsfördernd ist, stinkt und auf die man sich keinesfalls etwas einbilden soll. Dennoch ist es ein Genuss. Der Tabakindustrie mit ihren teilweise sogar rassistischen Einstellungen (Philip Morris) stehe ich natürlich dennoch sehr skeptisch gegenüber.

UserInnenfrage per Mail: geschätzter autor, in ihrem von mir verehrten essay "österreich ist schön" ist mir eine passage sauer aufgestoßen, in der es sinngemäß heißt, raucher seien verfolgt in diesem land. die umgekehrte wahrnehmung ist ja, österreich sei das raucherparadie

Franzobel: Ich persönlich bin mit der österreichischen Rauchergesetzgebung recht zufrieden. Österreich hat eine Hintertürchenregelung, es gibt immer irgendwo ein Hinterzimmer, in dem man dann doch Rauchen darf. Wogegen ich mich wende, ist die unangebrachte Diskriminierung, Kriminalisierung und letztlich auch Ghettoisierung der Raucher.

Nichtraucherschutz: Was sagen Sie einem starken Raucher mit Lungenkrebs oder Schlaganfall, der als 11jähriger damit begonnen hat weil ihn das Gesetz nicht wirklich vor dieser Sucht schützte, und der nun bereut je damit angefangen zu haben?

Franzobel: Puhh! Rauchen hat natürlich auch etwas mit einer gewissen Todessehnsucht zu tun. Zumindest heute weiß man um die Gefährlichkeit dieses Lasters. Es wäre oberflächlich, es mit anderen gefährlichen Hobbies (Motorrad fahren, o.ä.) gleich zu setzen. Es gibt, was mir sauer aufstößt, und das kommt nicht vom Rauchen, sehr viel Verlogenheit in unserer Gesellschaft. So verhindert etwa die Handyindustrie, dass man vom Zusammenhang des Telefonierens mit einem vermehrten Auftreten von Hirntumoren erfährt. Heute wird alles Böse, Satanische an der Zigarette festgemacht, was im Einzelfall tragisch sein kann, insgesamt aber zu eindimensional gedacht ist.

Dr. Lari and Mr. Fari: Sehr geehrter Franzobel, ich bin Arzt (hab auch im OÖ Heim logiert, in den 70ern), 57 Jahre alt und hab auch einmal geraucht, aber vor fast 20 Jahren aufgehört. Inzwischen habe ich etliche Freunde und Bekannte, die das nicht geschafft haben, an Lung

Franzobel: Die Welt wird ständig sauberer, glatter und kontrollierter. Rauchen hat wahrscheinlich etwas mit der Sehnsucht nach Dreck und Unanständigkeit zu tun. Da aber kaum noch jemand raucht, ist man als Raucher, in seiner Sehnsucht nach einer früheren Zeit, heute irgendwie auch wertekonservativ.

UserInnenfrage per Mail: Worauf führen Sie die zunehmende Verhärmung der westlichen Bevölkerung zurück, die neuestens darin gipfelt, andere Meinungen und Lebensweisen nicht nur mit Aggression zu beantworten, sondern gar gesetzlich verbieten lassen zu wollen? Woher kommt die

Franzobel: Das hat meiner Meinung nach mit der Ich-Gesellschaft und den Alleinvereinen zu tun, die in Slogans wie "Geiz ist geil" gipfelt. Sind Nichtraucher glücklicher? Aus meiner Nichtraucherzeit weiß ich, dass man beim Anblick eines Rauchers immer denkt: Rauch ruhig, stirbst eh bald. Es wird also eine Stimmung der Schadenfreude erzeugt, die wie ich glaube, in Slapstick-Komödien besser aufgehoben wäre.

alexanderletten: Meinen Sie nicht, dass bei 20 und mehr Zigaretten täglich der behauptete Genuss eher Rechtfertigung ist?

Franzobel: Auf alle Fälle. Genuss ist es wohl nur bei 5 Zigaretten. Was aber vielleicht mehr Selbstbeherrschung abverlangt, als ganz damit aufzuhören.

jcg25: Ich verstehe das Argument der Diskriminierung nicht. Wo werden den Raucher konkret diskriminiert bzw kriminalisiert?

Franzobel: An vielen Orten ist Rauchen mittlerweile strafbar, gilt man als Raucher als Gemeingefährdung. Es gibt bereits Nichtraucherstrände, in Amerika Nichtraucherstädte, und bald darf man auch in Mietwohnungen nicht mehr rauchen. Rauchen Sie einmal in Deutschland auf einem Bahnhof außerhalb der kleinen, gelben Raucherghettos.

Julian Casablancas: raucher sollen ruhig rauchen, nur wenn man mir einer die luft verpestet, dann werd ich grantig. ich sehe nicht ein wieso ich mir von anderen leuten die luft verstinken lassen soll. was sagen sie als raucher dazu?

Franzobel: Ich rauche nicht in meiner Wohnung, weil da auch ein Kleinkind wohnt. Natürlich rauche ich auch nicht in Gegenwart von Schwangeren. Es stört mich auch das Rauchverbot in Esslokalen, Flugzeugen, oder Zügen nicht, aber auf der Straße oder in Parks muss man rauchen dürfen. Als Nichtraucher müssen Sie ja nicht an meinem Atem hängen.

Nichtraucherschutz: Sie haben angeblich aus Protest gegen die Rauchergesetze wieder damit begonnen. Wem dient nun dieser Protest?

Franzobel: Das war natürlich überspitzt und ironisch formuliert. Grundsätzlich habe ich mich aber immer, auch in meiner Nichtraucherzeit, als Raucher gesehen. Konkret hat das wahrscheinlich etwas mit Solidarität für Verfolgte zu tun.

UserInnenfrage per Mail: Wie haben sie ihren persönlichen Lebensstil verändert seit die Rauchverbote mehr und mehr überhand nehmen? Fliegen sie seltener und oder fahren sie nicht mehr mit dem Zug? Gehen sie in Ländern, in denen totales Rauchverbot in der Gastronomie herrsch

Franzobel: Ich werbe für Toleranz, öffentlich wie auch privat. Meine Lebensgewohnheiten haben sich gar nicht verändert.

supertyp: Rauchverbot an öffentlichen Orten ist keine Diskriminierung sonder Nichtraucherschutz der meines Erachtens noch garnicht weit genug geht. Gehen Sie doch mal als Nichtraucher auf einer Einkaufsstraße. Andauernd bekommt man diesen Giftigen Qualm ins G

Franzobel: Ich werde ja auch ständig mit Dummheit und Ignoranz eingenebelt. Laute Musik aus Autoradios, Grant von zwidernen Menschen und Baustellenlärm oder Handytelefonate sind für mich genauso gesundheitsschädigend und nervend wie für Sie der Qualm.

Tintifax2000: Sie schreiben, dass Sie mit der "Österreichischen Gesetzgebung" zufrieden sind - sind Sie der Meinung dass da der Schutz der Arbeitnehmer (Kellner, etc.) in irgendeiner Form erfüllt ist? Insbesondere in wirtschaftlich schwierigen Zeiten kann ein Kel

Franzobel: Da gebe ich Ihnen Recht. Als Freiberufler habe ich das noch nie so gesehen.

K. K. Lacke: woran liegt es ihrer Meinung nach, daß Raucher als "unmittelbare" Gefahr für die Gesundheit wahrgenommen werden, aber gleichzeitg viel höher einzuschätzende Risiken durch Chemikalien oder Umweltverschmutzung einfach akzeptiert werden ohne sie zu hin

Franzobel: Die Menschen neigen dazu, eindimensional zu denken. Mehrschichtigkeit ist prinzipiell suspekt. Dass man das Böse nun am Rauchen festmachen kann, kommt einigen sicher sehr entgegen.

msk_at: Sie haben aber die Frage nach der Diskriminierung nicht beantwortet. Warum ist es diskriminierend wenn sie am Bahnhof nicht rauchen dürfen? Sie alle Tätigkeiten die verboten sind Diskriminierung, oder nur ihre Sucht?

Franzobel: Es gibt ein tolles Theaterstück von Elias Canetti, die Komödie der Eitelkeit, in dem Spiegel verboten sind. Es geht mir hier vor allem um persönliche Freiheit versus Gefährdung anderer. Und hier ist die Hetz gegen Raucher einfach unverhältnismäßig.

Tintifax2000: Glauben Sie nicht auch dass diese Illusion "Rauchen ist ein Genuss" nicht einfach Teil der Sucht ist - man will sich ja ungern mit der Karlsplatzfratkion gleichsetzen lassen, auch wenn's vielleicht akkurat wäre, oder ?

Franzobel: Ich empfinde unsere Gesellschaft zunehmend genussfeindlich. Es gibt immer mehr Ersatz: Bier ohne Alkohol, Kaffee ohne Koffein, Sex ohne Berührung, Zuckerersatz, Fleischersatz, usw. Rauchen ist irgendwo noch unverfälscht. Wie weit der Genuss dann echt ist, liegt wohl im Zug des Inhalierers.

babak kamgaran: Meinen Sie nicht, dass wenn Sie "Solidarität für Verfolgte" leben wollen, es besser wäre, sich für verfolgte Kurden, Syrer, chinesischen Aktivisten etc. einsetzen sollten, als für Nikotinsüchtige, die ihre Sucht als Genuss tarnen? (Ich war selbst 23

Franzobel: Ich habe mich, mit meinen sehr begrenzten Mitteln, immer wieder für Schwache und Verfolgte stark gemacht. Und bin dafür auch nicht selten sehr gescholten worden. Nur weil es größeres Unrecht gibt, heißt das ja nicht, dass man das Naheliegende übersehen darf.

GarciaLorca: Der Tabakanbau und seine sozialen und ökologischen Folgen sind in der Diskussion etwas untebeleuchtet. NGOs machen nichts, weil viele selbst rauchen bei Kampagnen unglaubwürdig wären. Wollen Sie sich als überzeugter Raucher nicht positiv einbringen

Franzobel: Das wäre absolut begrüßenswert.

twertwert: Sie schreiben, dass Sie ständig (wie wir alle) mit Dummheit und Ignoranz eingenebelt werden, und benutzen das als Rechtfertigung, zusätzlich dazu noch anderen Leuten Qualm ins Gesicht blasen zu können, überspitzt formuliert. Ob das wirklich der rich

Franzobel: Ich sehe mich als sehr rücksichtsvollen und außerdem gemäßigten Raucher. Alles weitere lässt sich hier nur schwer beweisen.

Blanca Hohn: Verstehen Sie eigentlich den Ansatz, dass Nichtrauchen und vor allem nicht von Rauch belästigt werden zu wollen kein Ansatz von Askese oder dem verschwörungstheoretischen Kunstprodukt "Gesundheitsfaschismus" ist, sondern ein Lebensstil, der bewusste

Franzobel: Da es bereits sehr viele rauchlose Orte gibt, sehe ich nicht, wo Sie in Ihren Wein- und Speisengenuss belästigt werden müssen.

santiago nasar: santiago nasar: könnte es nicht sein, dass es sich bei der ganzen raucherdiskussion um einen stellvertreterkrieg in bezug auf die tatsächlich relevanten gesellschaftlichen probleme handelt? weil die halt so kompliziert sind. und weil rauchen oder ni

Franzobel: Sie sprechen mir aus der Seele.

HookMind: Fehlt Ihrer Meinung nach den Rauchern, das Bewusstsein, dass Ihr Rauchen die anderen stoert? Als Kind einer starken Raucherfamilie habe ich dies zumindest so wahrgenommen. Wenn Kinder am Tisch gelacht haben wurde der 'Laerm' als stoerend empfunden,

Franzobel: Ich denke, den Rauchern ist in den letzten Jahren dieses Gefühl des Störens gründlich eingeprügelt worden.

Das Salz in der Suppe: Wie sehen sie die Rolle der Medien in dieser Auseinandersetzung? Finden sie, dass ausgewogen berichtet wird, vor allem was die "Gefahren des Passivrauchens" betrifft?

Franzobel: Das ist wohl in erster Linie eine Frage nach der Macht der Lobbys. Natürlich erfährt man, wenn man nicht gezielt danach sucht, viel zu wenig über diese Gefahren. Wie man auch zu wenig über Klimakatastrophe, Rodung der Regenwälder, Menschenrechtsverletzungen, Waffenlobbyisten, Schweinerein in der Tierhaltung, usw. erfährt.

Seadelaere: warum glauben sie ist es für viele nichtraucher so schwer einfach in nichtraucher lokale/bereiche zu gehen? viele meinen das ihre rauchenden freunde darauf bestehen im raucherbereich zu sein und sie mehr oder weniger mitgehen müssen

Franzobel: Da die meisten meiner Freunde und Bekannten Nichtraucher sind, kenne ich dieses Problem nicht wirklich. Meistens bin ich es, der mit ein, zwei Gleichgesinnten zum Rauchen nach draußen gehen muss. Wahrscheinlich hat das etwas von dieser längst verloren gegangenen Sehnsucht nach der schulischen Häusltschick.

Mirabeau: Ob Politische Korrektheit, ob Fitnesswahn, ob Kampf gegen die Raucher oder der bereits vor der Tür stehende Kampf gegen die Dicken: Warum ist das eigentlich so, daß wir Europäer immer erst müde lächelnd ein wenig von oben herab auf jede in Amerika g

Franzobel: Weil es derzeit nur eine Leitkultur auf der Welt gibt. Und die speist sich leider mehr aus dem Biblebelt, denn von der aufgeklärteren Ostküste.

WLG: Ich möchte Sie hier zitieren: Einerseits "rechtfertigen" Sie Belästigung durch Rauch damit, dass es auch andere Belästigungen gibt, die mindestens so stark sind, andererseits schreiben Sie: "Nur weil es größeres Unrecht gibt, heißt das ja nicht, das

Franzobel: Ich sehe hier keinen Widerspruch. Allerdings gebe ich auch zu, ein inhomogener Mensch zu sein, der wie jeder andere auch natürlich seine Schwächen und Strategien der Selbstbelügung hat.

ModeratorIn: Wir bedanken uns bei Franzobel für die Teilnahme an diesem Chat. Leider konnten so wie immer nicht alle Fragen beantwortet werden.

Franzobel: Danke für die recht humorresistenten Fragen und Adieu. PS: Nichtraucher sind natürlich intelligenter, aber davon wird die Küche auch nicht sauber.