Der 19-jährige Designer Jonathan Mak widmet Jobs ein iDenkmal.

Foto: Jonathan Mak

Als IT-Journalist hat man stets ein gespaltenes Verhältnis zu Apple. Auf der einen Seite fällt es leicht, sich für die vielen wegweisenden Produkte zu begeistern, auf der anderen Seite entwickelt man eine tiefe Skepsis gegenüber einem Unternehmen dieser Größe. Die Marketingmaschinerie, die Unnahbarkeit, Berichte über unmenschliche Arbeitsbedingungen für jene Leute, die diese funkelnden Gagdets tatsächlich produzieren, wettbewerbsbehindernde Praktiken und ein PR-Auftritt, der mit "abgehoben" noch freundlich umschrieben wird. Kurz gesagt: Apple ist in jeder Hinsicht eine Story wert. Aber "mögen" kann man Apple genauso wenig wie jeden anderen profitorientierten Konzern. Egal wie heftig es in Branchendiskussionen oder Forendebatten zugeht, egal wie populär ein Thema ist und wie viel Klicks und Likes ein Produkt, ein Unternehmen provoziert: Zuneigung, Emotionen sind den Menschen vorbehalten.

"Your time is limited so don't waste it living someone else's life. Have the courage to follow your heart and intuition, everything else is secondary" - Steve Jobs

Sie geben der eigentlich niemals "anders denkenden" Konzernwelt ein Gesicht. Und so sehr die "corporate identity" - ob mit Schlips oder im Rollkragen - die Menschlichkeit verschleiert, hinter jedem Logo, jedem Gründerstein, jeder Geschäftsidee steht ein Mensch. Diese boomende, glitzernde, niemals ruhende Branche kennt viele Genies und Over-Achiever. Es gibt die zurückhaltenden, in die Zukunft schweifenden Puppenspieler wie Bill Gates, die coolen Intellektuellen wie Sergey Brin und Larry Page, die verbissenen Verkäufer wie Steve Ballmer, die geekigen schlauen Füchse wie Mark Zuckerberg und die, die einfach unumstößlich an ihre Sache glauben. Steve Jobs war einer von denen. In seinen seltenen Medienauftritten, seinen vereinzelten Interviews, aber in jeder seiner prägenden Keynotes war zu hören und zu sehen, dass er an jede von Apples Erfindungen glaubte. Als er das iPhone 2007 zückte, funkelten seine Augen als stünde er als Kind vor dem Weihnachtsbaum und als er das iPad auf der Bühne sitzend in den Händen hielt, zweifelte keiner im Raum daran, dass er diese Schöpfung für die Zukunft des Personal Computers hielt.

For those of us lucky enough to get to work with him, it's been an insanely great honor. I will miss Steve immensely. - Bill Gates

Vielleicht ist so zu verstehen, weshalb sein Tod so vielen Menschen nahe geht. Denn obwohl die Trauernden Jobs zumeist nur durch ihren iPod, ihren Mac, ihr iPhone oder ihr iPad kennengelernt haben, fällt es ihnen leicht, sich mit seiner Persönlichkeit zu identifizieren. Jeder, der einen inneren Antrieb verspürt, erhofft sich, eines Tages mit ähnlicher Konsequenz sein Ziel verfolgen zu können. Jeder, dem es bereits schwer fällt morgens aus dem Bett zu steigen, erhofft sich, eines Tages einen ähnlichen Ehrgeiz zu entwickeln. Jeder, der unglücklich in seiner Arbeit sitzt, wünscht sich, eines Tages seinem Traumjob nachzugehen. Jeder, der sich nur als kleines Zahnrad in einem Getriebe fühlt, wünscht sich eines Tages etwas Bedeutendes erschaffen zu können. Wie Popstars Menschen mit ihrer Musik berühren, Schauspieler sich über Fernseher und Leinwände in unser emotionales Zentrum brennen oder Autoren über Bücher sich in unseren Verstand schreiben, halten wir mit jedem i-Gerät ein Stück "Jobssches  Lebenswerk" in Händen.

Steve, your passion for excellence is felt by anyone who has ever touched an Apple product (including the macbook I am writing this on right now). - Sergey Brin

Es mag für Außenstehende befremdlich erscheinen, einem Fremden nachzutrauern. Unter Steve Jobs Drang zur Perfektion kreierten die kreativen Köpfe Apples auch nicht gerade Produkte, die uns zum Mars bringen oder das Rohstoffproblem lösen. Doch sie schufen Produkte, die uns mit anderen Menschen verbinden, Melodien aus unserer Kindheit an die Ohren bringen oder Aufnahmen unserer Geliebten greifbar machen. Und so schlich sich Jobs irgendwie in jedermanns Alltag. Ob in Foren, auf Facebook, Twitter, Google+ oder in Blogs nehmen Wegbegleiter deshalb nun genauso wie einfache Kunden Abschied und teilen ihre Geschichten. Der ehemalige Gizmodo-Blogger Brian Lam entschuldigt sich für den iPhone 4-Clou. Walt Mosberg, einer der wenigen Journalisten, die Jobs näher kannten, erinnert sich an einen Spaziergang mit dem i-Guru und wie es fast zur Tragödie kam. Facebook-Gründer Mark Zuckerberg spricht den jungen Entrepreneuren aus der Seele und bedankt sich ein letztes Mal bei seinem Mentor.

Steve, thank you for being a mentor and a friend. Thanks for showing that what you build can change the world. I will miss you. - Mark Zuckerberg

Bill Gates, der Jobs 30 Jahre lang als Konkurrenten wie als Freund kannte, hebt die aufgesetzten marktbedingten Grenzen auf. Die Piraten von Silicon Valley gingen durch dick und dünn, Feindschaft konnte sich zwischen den am Boden gebliebenen Überfliegern nicht entwickeln. Google-Gründer Larry Page und Sergey Brin danken Jobs für dessen Inspirationskraft. Google.com verlinkt heute direkt auf die Apple-Webseite. Erbitterter Wettbewerb, der quartalsgetaktete Kampf um Marktanteile tritt in den Hintergrund. Steve Wozniak, Steve Jobs Partner in Crime ist die Betroffenheit in jedem Statement anzumerken.

"We've lost something we won't get back" - Steve Wozniak.

Und auch unter den nicht direkt Involvierten macht sich Trauer breit. "Man kann zur Firmenpolitik Apples und der Entwicklung in den letzten Jahren stehen, wie man will - aber diese Nachricht trifft einen doch. Er war ein Visionär, ein Querdenker, ein Perfektionist (mit allen Schattenseiten).", schreibt Danielle D. im WebStandard-Forum. "Wie man aus einer Garagenfirma so etwas Großartiges erschaffen kann! Eine wahre Legende!", meint Christoph D. auf Facebook. Und Branchenstimme Robert Scoble gedenkt Jobs Hinterbliebenen auf Google+. Ein Foto, das den Apple-Mitbegründer zusammen mit seiner Frau zeigt, sagt mehr als alle Worte.  (Zsolt Wilhelm, derStandard.at, 6.10.2011)