Minderjährige Flüchtlinge: Gezwungen, durch Untersuchungen ihre Gesundheit zu beeinträchtigen, kritisiert der Menschenrechtsbeirat.

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Wien - Die Unterbringung und Betreuung minderjähriger Asylwerber hat sich in den letzten Jahren zwar verbessert, es gibt aber noch immer viele Mängel. Das ist das Ergebnis eines Berichts des Menschenrechtsbeirats zum Thema "Kinder und Jugendliche im fremdenrechtlichen Verfahren", der am Donnerstag präsentiert wurde. Umstritten bleiben vor allem die Altersfeststellung mittels Röntgen und die Schubhaft für 16- bis 18-Jährige.

Fülle medizinischer Feststellungsmethoden

Der letzte Bericht über "Minderjährige in Schubhaft" stammt aus dem Jahr 2000. Er wurde nun von einer Arbeitsgruppe aktualisiert. Dabei stellte der Menschenrechtsbeirat zwar Fortschritte, etwa im Bereich der Schubhaft und bei Familienabschiebungen, fest, letzteres bedingt durch den Fall der Komani-Zwillinge. Es gebe aber noch immer Probleme und Handlungsbedarf. Konkret kritisiert wird die überbordende Anwendung medizinischer Methoden (Zahnpanorama, Handwurzel- und Schlüsselbeinröntgen) zur Altersfeststellung, die mangelnde Betreuung durch die Jugendwohlfahrt und die Schubhaft für 16- bis 18-Jährige.

Die medizinischen Diagnosen zur Altersfeststellung dürften nur als "ultima ratio" angeordnet werden, denn sie können für Kinder und Jugendliche traumatisierend sein, erklärte der Beiratsvorsitzende Gerhart Wielinger. Außerdem sei die Strahlenbelastung beim Schlüsselbeinröntgen um das 6000-fache höher als Handwurzelröntgen. Durch die Kombination mehrerer Untersuchungen könne es daher zu einer möglichen Erhöhung des Krebsrisikos kommen, warnte der Beirat. Die Altersfeststellung wird deshalb angewandt, weil sich in der Vergangenheit volljährige Asylwerber oft als Jugendliche ausgegebenen haben. Diese genießen nämlich bestimmte rechtliche Privilegien. Sie können zum Beispiel, auch wenn sie aus einem anderen EU-Land kommen (Dublin-Verfahren), im Land bleiben.

Grüne fühlen sich bestätigt

Die Kritiker der Asylpolitik des Innenministeriums sehen sich durch den Bericht bestätigt: Die Caritas, SOS Mitmensch und die Grünen schlossen sich der Rüge des Beirates wegen der zu oft angewendeten Altersfeststellung durch Röntgen und der Schubhaft für 16- bis 18-Jährige an.

"Auch jugendliche Asylwerber haben eine Würde", betonte Caritas-Präsident Franz Küberl gegenüber "Kathpress". Methoden wie die Altersfeststellung durch Handwurzel- oder Schlüsselbeinröntgen dürften laut Gesetz nur als "ultima ratio", also bloß bei echtem Zweifel, eingesetzt werden, pflichtete Küberl dem Menschenrechtsbeirat bei. Ziel müsse zudem sein, "dass möglichst kein Minderjähriger in Schubhaft kommt". Grünen-Menschenrechtssprecherin Alev Korun sieht den Schutz von jungen Asylsuchenden immer mehr untergraben: "Die Jugendämter können sich wegen Überlastung oft nicht ihrer annehmen. Ihre Minderjährigkeit wird von Asylbehörden pauschal infrage gestellt und sie werden gezwungen, um den Preis der Schädigung ihrer Gesundheit per Röntgenstrahlen diese 'nachzuweisen'". Das müsse gestoppt werden.

Immer mehr Kinder als Asylwerber

Norbert Ceipek von der Betreuungseinrichtung "Drehscheibe" machte darauf aufmerksam, dass durch die vermehrte Altersfeststellung die Asylwerber "immer jünger" werden. So seien alleine in seiner Einrichtung derzeit zehn Kinder zwischen zehn- und vierzehn Jahren aus Afghanistan untergebracht. Ceipek sprach von einer "dramatischen Entwicklung".

Laut "asylkoordination" wurden in den ersten acht Monaten dieses Jahres 36 Anträge von Unter-14-Jährigen eingebracht. Das sind mehr als im gesamten Jahr 2010, wo es 34 solcher Ansuchen gab. Anträge von Unter-18-Jährigen gab es zwischen Anfang Jänner und Ende August 632. Der mit Abstand größter Teil dieser jungen Asylwerber kommt aus Afghanistan.

Sparkurs macht skeptisch

Ein weiteres Problem gibt es laut Menschenrechtsbeirat mit der Betreuung durch die Jugendwohlfahrt aufgrund mangelnder Ressourcen. Man zeigte sich aber angesichts des Sparkurses skeptisch, was einen Ausbau der Betreuung betrifft.

Auf Kritik stiße gerade auch die jüngste Gesetzesänderung, wonach für 16- bis 18-Jährige nicht mehr die "grundsätzliche Pflicht zur Anwendung gelinderer Mittel als die Schubhaft" besteht. Diese dürfen daher bis zu zwei Monate in Schubhaft genommen werden. Laut Roland Miklau vom Beirat werden bei zwei Drittel der Jugendlichen gelindere Mittel und bei einem Drittel Schubhaft angewandt. Da sei noch "Verbesserung möglich". Der Beirat empfiehlt, das Polizeianhaltezentrum Rossauer Lände mit dem Schubhaftvollzug für Jugendliche für ganz Österreich zu betrauen, um die Anhaltung Jugendlicher in Einzelhaft zu vermeiden. (APA)