Gerald Költringer ist Geschäftsführer einer Web-Agentur und einer der Initiatoren des Volksbegehrens "Nicht Rauchen in Lokalen".

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Költringer fordert ein komplettes Verbot in allen Gastronomiebetrieben: "Wir wollen eine menschlichere Sichtweise und da sollte es schon reichen, wenn der Gestank alleine stört, um Rücksicht zu nehmen."

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Von der Praxis des "Rauchersheriffs" Dietmar Erlacher, Obmann des Vereins Selbsthilfe-Netzwerks (im Bild bei der Übergabe von Anzeigen gegen Raucherlokale an die Wiener Bezirksvorsteherin Ursula Stenzl im Jahr 2009), wollen sich die Initiatoren abgrenzen.

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Keinen Kontakt mehr gibt es auch zum Frontmann des Nichtraucherschutzes in Bayern, Sebastian Frankenberger (im Bild mit der Kabarettistin Veronika von Quast am Freitag Oktoberfest in München 2011).

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Das Plakat für das österreichische Volksbegehren.

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Gerald Költringer ist einer der Initiatoren jenes Volksbegehrens, das sich für ein Komplettverbot von Rauchen in Gastronomiebetrieben ausspricht. Im Interview mit derStandard.at spricht der Geschäftsführer einer Web-Agentur über das gegenseitige Aufhetzen von Befürwortern und Gegnern, politische Zustände wie in Entwicklungsländern und die gelegentliche Zigarette, die er selbst noch immer raucht.

derStandard.at: Welche Forderungen stellen Sie mit dem Aufruf zum Volksbegehren?

Gerald Költringer: Die Politik muss endlich wachgerüttelt werden und akzeptieren, dass die momentane Lösung für alle Betroffenen völlig unzureichend ist. Wir wollen keine Trennung zwischen Rauchern und Nichtrauchern – und dass dadurch die beiden Gruppen gegeneinander aufgehetzt werden. Aber leider haben wir es mit einer großkoalitionären Lösung zu tun, mit der wieder nur das jeweilige Klientel befriedigt und beschützt wird. Dieses missglückte Gesetz gehört endlich abgeschafft. Seit Jahren wird an mangelhaften Kompromisslösungen herumdiskutiert.

derStandard.at: Wie soll ein neues Gesetz aussehen?

Költringer: Wie in den meisten OSZE-Staaten gehört ein komplettes Verbot in öffentlichen Einrichtungen und Lokalen her. Österreich soll endlich einer weltweiten Tendenz folgen, denn irgendwann wird das sowieso Realität sein – ob in 12 Monaten oder 20 Jahren. Selbst in der Türkei wurde das Verbot von einem Tag auf den anderen umgesetzt und hat jetzt 92 Prozent Zustimmung in der Bevölkerung. In Österreich aber haben wir einen Zustand, der sonst nur in Entwicklungsländern herrscht.

derStandard.at: Haben wir keine dringenderen Probleme als ein Rauchverbot?

Költringer: Natürlich gibt es Wichtigeres. Aber die momentane Lösung ist ein Spiegelbild der gesamtösterreichischen Polit-Realität. Man hat einfach keinen Mut für nachhaltige Entscheidungen. Es wird einfach immer wieder aufgeschoben, genauso wie bei den längst fälligen Reformen in der Verwaltung oder der Bildung.

derStandard.at: Dennoch erhitzt das Thema die Gemüter. In den Foren von derStandard.at ist eine regelrechte Hasskultur zwischen Befürwortern und Gegnern zu beobachten. Warum sind die Fronten so verhärtet?

Költringer: Ich habe selbst 20 Jahre geraucht und bin immer noch Gelegenheitsraucher. Ich will auch niemanden zum Aufhören zwingen oder bekehren. Mit geht es darum, dass die Diskussion durch ein ordentliches Gesetz mehr in Richtung Rücksicht gegenüber Nichtrauchern gedreht wird. Es geht mir um soziales Zusammenleben und eine Lösung, von der auch die nächsten Generationen profitieren.

derStandard.at: Aus manchen intellektuellen, philosophischen und künstlerischen Kreisen kommt der Vorwurf, dass ein Komplettverbot für Genussfeindlichkeit und Einschränkung der persönlichen Freiheit stehe.

Költringer: Ich betrachte mich politisch auch als eher linksstehend, nur kommen gerade aus diesem Eck oft Anfeindungen im Sinne von "Nichtraucher-Nazis". Da wird dann von einem Verbotsstaat und von Rauchen als Kulturgut gesprochen. Für mich wirkt das wie das letzte Aufgebot vermeintlicher Freidenker, die einfach nicht akzeptieren wollen, dass sich die Welt in den letzten Jahrzehnten grundlegend geändert hat – und das nicht nur negativ. Aber natürlich ist es verständlich, dass Menschen denen diese Veränderungen persönlich nichts Positives brachten, eher rückwärtsgewandt denken und an ihren liebgewonnen Verhaltensweisen besonders stark festhalten. Dabei finde ich das fast schon reaktionär, wenn linksorientierte Menschen plötzlich US-Tabakgroßkonzerne verteidigen.

derStandard.at: Stichwort USA. Oft wird auch damit argumentiert, dass man sich mit der zunehmenden Verbotslage immer mehr an den US-Restriktionen orientiert und damit die Freiheit des Einzelnen sukzessive beschneidet.

Költringer: Aber wir reden ja nicht von Bush und dem Irak-Krieg, sondern vom Rauchen. Nur darf man hierzulande kaum sagen, dass das Rauchverbot in den USA gut funktioniert und man sich das auch für Österreich wünschen würde. Ich war genau an jenem Wochenende in New York, als das generelle Rauchverbot eingeführt wurde. Als Raucher habe ich mir damals gedacht, das ist sicher eine Totgeburt, wenn sich plötzlich Hardrocker vor einer Kneipe auf die Straße hinausstellen müssen. Aber vor kurzem war ich wieder in New York und durfte erleben das Rauchen dort einfach kein Thema mehr ist. Man wird praktisch nirgends mehr damit konfrontiert und daher rauchen auch nur noch 7 Prozent der Jugendlichen, bei uns über 40 Prozent.

derStandard.at: Wenn die Tendenz so eindeutig ist, warum haben Sie von den nötigen 8022 Unterstützungserklärungen für ein Volksbegehren erst 6077 (Stand: 7.10.2011) erhalten?

Költringer: 6.000 ist eh schon ein Riesenerfolg. Wir haben uns ja als loser Haufen über Facebook zusammengetan und innerhalb kurzer Zeit 100.000 Fans gehabt. Leider haben wir diesen Schwung im Frühjahr 2010 nicht genug aufgenommen und uns dann auch intern blockiert: Wir haben keine Entscheidungen getroffen, keinen Sprecher benannt und zu wenig nach außen kommuniziert. Aber seit heurigem Sommer sind wir wieder besser aufgestellt.

derStandard.at: Ist es wirklich so schwierig die Leute zum Unterschreiben zu motivieren?

Költringer: Wir haben keine finanziellen Mittel außer unsere eigenen und keine Unterstützung von Parteien. Daher können wir keine großen Kampagnen oder Roadshows organisieren, um die nötige Aufmerksamkeit zu erzeugen. Ein Problem ist aber auch, dass in Österreich keine Tradition für Bürgerbeteiligung existiert. Bei uns steigt einfach niemand auf die Barrikaden. Außerdem ist es natürlich eine gewisse Leistung die zu bringen ist, wenn man unsere Unterstützungserklärung unterschreiben will. Man muss sich die Zeit nehmen extra aufs Amt zu gehen, vor einem Beamten die Unterschrift leisten und am besten danach auch noch an uns senden.

derStandard.at: In wie engem Kontakt stehen Sie zu "Rauchersheriff" Dietmar Erlacher, der am häufigsten in den Medien vorkommt?

Költringer: Wir hatten Kontakt mit ihm und respektieren sein Engagement für den Nichtraucherschutz. Er unterstützt auch unser Volksbegehren. Allerdings wollen wir uns von seiner Strategie abgrenzen, weil wir Anzeigen von Wirten für den falschen Weg halten. So etwas facht die Stimmung zusätzlich an und zementiert damit wohl das momentane Gesetz nur noch mehr ein. Außerdem sehen wir die Wirte auch als Leidtragende dieses sinnlosen Gesetzes und auf keine Fall als Zielscheibe.

derStandard.at: In Bayern hat sich Sebastian Frankenberger im Zuge der erfolgreichen Volksabstimmung zum Nichtraucherschutz einen Namen gemacht. Kooperieren Sie auch mit ihm?

Költringer: Ganz ehrlich gesagt, ist er uns um eine Spur zu extrem. Wir hatten auch Kontakt zu ihm, aber wir wollen nicht das er bei uns einsteigt. Wir haben auch nicht die Ambitionen eine eigene Partei rund um das Nichtraucherthema zu gründen. Unser Ziel ist das Volksbegehren.

derStandard.at: Wie groß ist der Widerstand der Wirte gegen das Volksbegehren?

Költringer: Die Wirte sind ja genauso Opfer und plagen sich mit dieser blöden Gesetzeslage herum. Die Konkurrenzverzerrung entsteht ja genau deswegen, weil aufgrund von Quadratmetern und möglichen Abtrennungen entschieden wird, ob wo Rauchen erlaubt ist oder nicht.

derStandard.at: Aber zahlreiche Wirte haben viel Geld investiert, um für die momentane Regelung gerüstet zu sein.

Költringer: Aber daran ist nur die Politik schuld, denn alle sind sich einig, dass ein komplettes Verbot sowieso irgendwann kommen wird. Ein Problem ist, dass man vom Staat im Nachhinein keine Regresszahlungen einfordern kann – entgegen mancher kolportierter Meldungen gibt es dafür keinen Rechtsanspruch. Durch ein Verbot werden zwar sicher einige kleine Eckkneipen sterben, aber das ist leider Teil dieser allgemeinen Strukturveränderung.

derStandard.at: Das klingt jetzt nach klassischer marktwirtschaftlicher Auslese.

Költringer: So soll das in keinem Fall rüberkommen, aber wie gesagt, hat die große Koalition mit diesem Gesetz genau das provoziert. Die Ängste über Umsatzrückgänge haben sich aber so gut wie nirgends bestätigt. In Bayern etwa ist nach kurzer Eingewöhnung sogar der Bierkonsum gestiegen. Untersuchungen zeigen auch, dass in vielen Ländern ein Jahr nach Einführung eines Verbots die Zustimmungsrate bereits bei über 90 Prozent liegt. Das komplette Rauchverbot ist überall eines der beliebtesten Gesetze – natürlich erst nachdem es eingeführt wurde.

derStandard.at: Wie wichtig ist das Argument Passivrauch und Gefährdung von Menschen an ihrem Arbeitsplatz?

Költringer: Das ist schon ein starkes Argument, aber es geht ja nicht nur um Gesundheit. Wir wollen eine menschlichere Sichtweise und da sollte es schon reichen, wenn der Gestank alleine stört, um Rücksicht zu nehmen. Wenn man dauernd vom Nebentisch her eingeraucht wird, finde ich das einfach unmöglich. Aber solange Rauchen der Normalzustand ist wird meistens von den Nichtrauchern "Rücksicht" eingefordert. Als Passivraucher geht es aber eigentlich um Duldung einer Lebensweise, die man selbst nicht gewählt hat, aber trotzdem muss man alle negativen Folgen mittragen. Also wer sollte eher Rücksicht zeigen?

derStandard.at: Ein weiteres Argument gegen ein Komplettverbot ist, dass es in Zukunft dann auch Verbote für Fett, Zucker etc. geben wird.

Költringer: Nein, denn ich werfe ja niemandem einen Schweinsbraten nach. Also was muss ich noch passiv ertragen, das so einfach abzustellen ist? Dann kommt meistens als Vergleich der Verkehr und allgemeine Luftverschmutzung etc. Da wird ja auch mit ungeheurem Aufwand viel getan und ein Dieselauto mit Partikelfilter ist mittlerweile weniger schädlich als eine brennende Zigarette. Und über Alternativen zur Mobilität und unserem Lebensstil wird auch genug gesprochen. Das Passivrauchproblem lässt sich allerdings von einem Tag auf den anderen lösen. Wir brauchen nur Menschen die auch an zukünftige Generationen denken und persönliche Freiheit nicht mit Suchtverhalten verwechseln. Persönliche Freiheit hört einfach dort auf wo die persönliche Freiheit des anderen eingeschränkt wird, dann geht es nur noch um Rücksicht – so einfach könnte es sein. (Martin Obermayr, derStandard.at, 7.10.2011)