Edlinger: Na, Duuuh!

Divjak: Und?

E: Ich weiß nicht, ob ich es gut oder schlecht finden soll. Aber ich habe das Gefühl, das Du hat den Kulturkampf gegen das Sie endgültig gewonnen. Im Fernsehen ist es endgültig normal geworden, dass einen die Sidos dieser Welt mit "Was bist'n du für ein Vollspasti" oder "Verpiss dich, du Hausmeister!" anrotzen.

D: Das ist wahrscheinlich die berühmte Berliner Schule. In den Szenehütten dort reden die einen eh schon nur mehr englisch an, weil die Stadt ja so wahnsinnig international ist. Und die anderen übernehmen aus dem Englischen halt einfach, dass man jeden gleich derb und superdemokratisch zumüllt.

E: Na ja, hat das Englische nicht noch ein paar Varianten wie "Sir" oder "Madam" auf Lager? Aber jetzt hat auch noch Apple - Gott habe den genialen Steve Jobs selig - mit dem Geduze angefangen. Ganz ohne Sir und Madam übrigens. Ich habe letztens ein paar tolle und richtig innovative Produktvorschläge zum Update meines Kontominus zugesandt bekommen: "Wir haben für Dich das neue Dingsda und das neue Dingsdort."

D: Tja, der alte Schwede hat es wohl vorgemacht. Vielleicht ist Apple ja sogar das neue Ikea.

E: Nur mit dem Unterschied, dass ich bei Apple nicht auch noch am Weg zu einem schicken USB-Stick auf zehn Laptops Probe liegen muss.

D: Vielleicht kommt der Wille zum Du vom Korpsgeist, den solche Unternehmen vermitteln. Wer beim Schweden kauft, ist Teil der Family. Wer bei Apple kauft, ist Teil der Community.

E: Da ist was dran. Aber ganz ehrlich: Ich möchte nicht Teil einer Billyregalbewegung sein. Du? Bzw. Sie?

D: Man dankt höflich für das Angebot. Ich glaube aber, bei dem Computerzeugs kommt noch dazu, dass man da immer schon als Teil eines Netzwerks gesehen wird. Wer Apple hat, kennt Facebook. Und könntest Du dir vorstellen, dass Facebook irgendjemanden mit Sie anspricht?

E: Außer den Anwälten, die auf Verletzung der Privatsphäre klagen: Nein.

D: Gefällt mir.

E: Übrigens fällt mir noch etwas ein, das auch mit Geldausgeben und Seriosität zu tun hat, aber auch immer per Du unterwegs war: Die Ich-Du-Er-Sie-Es-Bank.

D: Ja, auch Banken wollten einmal sympathisch sein. Ist lange her. Wobei ich mich immer gefragt habe, was eigentlich die Es-Bank meinen könnte. Es, das Geld? Oder das böse Es, den unbewussten Wunsch nach Wollen, Haben, Kaufen?

E: Vielleicht war das eh visionär von der Kuschel-Bank. Ist doch viel sympathischer, wenn man Kunden und Steuerzahlern per Du klarmacht, dass das nächste Bankenrettungspaket überfällig ist. Der nächste Bailout kommt bestimmt, Du. (DER STANDARD/ALBUM - Printausgabe, 8./9. Oktober 2011)