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Taucher über dem Wrack eines sowjetischen U-Boots - laut Unesco dürften insgesamt etwa drei Millionen unentdeckte Wracks aller Art auf dem Meeresboden liegen.

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Schatzsucher Lee Spence mit einem Schwertgriff aus Gold.

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Die SS Republic war auf dem Weg nach New Orleans, als sie am 25. Oktober 1865 in einen Hurrikan geriet und vor der Küste Georgias sank. An Bord: Goldmünzen im Wert von 150 Millionen Dollar. Mehr als hundert Jahre war das Wrack verschollen - bis Lee Spence und die Firma Odyssey Marine Exploration es 2003 fanden. Ein Narr also, wer denkt, dass das Geld auf der Straße liegt. In Wirklichkeit liegt es auf dem Grund des Meeres.

Spence ist hauptberuflicher Schatzjäger. Meist sucht er nicht auf dem offenen Meer - sondern in Archiven. Mehr als eine Million Dollar hat Spence in seine Bibliothek investiert: Zeitungen aus dem 18. Jahrhundert, Tagebücher von Überlebenden von Schiffsunglücken oder Baupläne alter Kanonen, um ein Wrack auch zu identifizieren, wenn es gefunden ist. Jahrzehnte hat er in Zettelkästen von Versicherungen gewühlt und in Lagern von Küstenämtern. Wann immer er einen Hinweis auf ein gesunkenes Schiff fand, schrieb er es auf eine Liste, 100.000 Namen stehen heute darauf. Lohnt sich das? Auf jeden Fall.

Drei Millionen unentdeckte Wracks liegen laut Unesco auf dem Meeresboden. Zwei Drittel des Goldes, das vor dem 19. Jahrhundert gefördert wurde, soll mit ihnen untergegangen sein, in Stürmen, an Riffen oder nach Feuersbrünsten. Dazu kommen Silber, Edelsteine oder Schmuck. Mindestens 30 Milliarden Euro sollen alle versunkenen Schätze wert sein, sagen manche. Es sind noch weitaus mehr, behaupten andere.

Die größten Reichtümer aber finden sich nicht auf spanischen Galeeren - sondern im Bauch von Schiffen, die in den beiden Weltkriegen sanken. Mindestens 43.000 gingen in den Konflikten unter, viele davon voller Auswanderer und Flüchtlinge, die alles, was sie hatten, in Sicherheit bringen wollten: Münzen, Gold- und Silberbarren oder Schmuck. "Mit diesen Schiffen ist das Vermögen ganzer Länder gesunken", sagt Spence. Ein Großteil davon könnte bald wieder auftauchen.

Die Branche hat ein neuer Goldrausch erfasst. Was bisher als verloren galt, wird nun dank neuer Technik greifbar: Seit es ferngesteuerte Tauchroboter gibt, brauchen Schatzsucher keine hunderte Meter langen Kabel mehr, die ihr eigenes Gewicht tragen können müssen. Verbesserte Sonaranlagen und Metalldetektoren lassen die Branche boomen. Bloß merken es nur wenige.

Zwar verkündete Odyssey, die gemeinsam mit Spence die Republic entdeckte, erst vor zwei Wochen, ein Wrack aus dem Zweiten Weltkrieg mit 200 Tonnen Silber an Bord entdeckt zu haben. Und bereits 2007 sorgte die Firma für Aufsehen, als sie die Merchant Royal samt Gold im Wert von 500 Millionen fand - der bis dahin größte je entdeckte Schatz. Dennoch gilt das Unternehmen branchenintern nicht als das erfolgreichste - bloß als das sichtbarste.

Erben sollen nichts merken

Die meisten Konkurrenten sind ganz und gar nicht an Publicity interessiert, die ihre Arbeit nur erschweren würde. Schatzsucherfirmen werden meist nur für ein Projekt gegründet. Sobald das Wrack geborgen ist, wird die Beute unter den Investoren geteilt und die Firma aufgelöst - um gar nicht erst zuzulassen, dass Erben oder Versicherungen Ansprüche stellen. Derzeit laufen etwa ein Dutzend solcher Kooperationen.

Mindestens 1,5 Millionen Dollar kostet eine Bergung, je nach Tiefe kann sie leicht mehrere zehn Millionen verschlingen. Wrackforscher können sich das allein nicht leisten. Weltweit gibt es etwa 30 Spezialisten wie Spence, die mit Geldgebern und Tauchern kooperieren, etwa den Briten Nigel Pickford oder den Franzosen Patrick Lizé.

Bei dem jüngsten Fund von Odyssey soll Lizé der Firma den Tipp gegeben haben, wo sie suchen sollen. Je nach Vertrag kassieren Spürhunde wie er ein Fixum plus einen Anteil am Fund. Bis zu 20 Prozent sind üblich. Wenn sich die Partner denn einig sind.

"Odyssey gibt wie üblich nicht an, dass Patrick Lizé bei der Entdeckung geholfen hat", schimpfte dessen Tochter und Managerin vergangene Woche auf Facebook. Auch Spence hat mit der Firma keine guten Erfahrungen gemacht: Seit Jahren streitet er mit ihr vor Gericht über seinen Anteil am Gold der Republic.

Die Jagd nach Schätzen will er aber nicht aufgeben. Seit Jahren träumt er davon, ein Schiff aus dem Zweiten Weltkrieg zu bergen, dessen Position er kennen will und auf dem er Gold im Wert von einer Milliarde Dollar vermutet. Lächerliche 27 Millionen Dollar würde die Bergung kosten, bisher fehlt nur ein finanzkräftiger Partner. Das Geld liegt eben nicht auf der Straße. (Tobias Müller/DER STANDARD, Printausgabe, 8./9. 10. 2011)