Wien - Ende Februar 1998 berichtete Hubertus Czernin in seiner Standard-Serie Das veruntreute Erbe erstmals über den Fall Thorsch, Anfang November jenes Jahres veröffentlichte er ein kleines Buch unter dem Titel Die Auslöschung. Darin legte der 2006 verstorbene Publizist die Hintergründe der Enteignung durch die Nationalsozialisten und das Verhalten der Republik Österreich dar.

Alphonse Thorsch war bis 1938 hinter Louis Rothschild der zweitwichtigste Wiener Bankier: Das NS-Regime beschlagnahmte nicht nur die Realitäten und Kunstschätze, sondern auch die Privatbank, die in der Folge liquidiert wurde, und die ausländischen Besitzungen, die im Einflussbereich des Dritten Reichs lagen.

Nach dem Krieg wurden den Erben zwar 30 Kunstwerke und die Immobilien zurückgegeben, aber nicht mehr. Über Jahrzehnte hinweg weigerte sich die Republik, die Nachkommen fair zu entschädigen und die Löschung der Banklizenz rückgängig zu machen. Und gerade diese Lizenz wäre notwendig gewesen, um den Erben den Zugriff auf die eingefrorenen Konten der Bank in England und der Schweiz zu ermöglichen.

Ende April 1999 gab der damalige Finanzminister Rudolf Edlinger (SPÖ) bekannt, er werde den Antrag der Erben auf Rückstellung der Lizenz für das Bankhaus M. Thorsch & Söhne "wohlwollend" prüfen. Wenig später aber wurde der Antrag abgelehnt.

Nun wandten sich die Erben an den Entschädigungsfonds; den neuerlichen Versuch einer zumindest minimalen Wiedergutmachung startete Angela Hartig, eine Enkelin von Alphonse und Marie Thorsch. Sie ist die Mutter von STANDARD-Mitarbeiterin Marie-Therese Hartig. Der Entschädigungsfonds will sich am Montag mit dem Fall beschäftigen. (trenk, DER STANDARD - Printausgabe, 8./9. Oktober 2011)