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In "Mama Ellen" wurde 2005 nach ihre überraschenden Wahl zur Präsidentin Liberias hohe Erwartungen gesetzt. Mittlerweile ist in Liberia Ernüchterung eingetreten.

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Bei der Wahl am Dienstag war lange Zeit ein Wechsel an der Spitze prognostiziert worden. Nach der Zuerkennung des Nobelpreises sind die Karten aber neu gemischt.

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Monrovia - Weltweit wurde die Auszeichnung von Liberias Präsidentin Ellen Johnson Sirleaf mit dem Friedensnobelpreis begrüßt - in ihrer Heimat aber wurde heftige Kritik an der Entscheidung des Osloer Nobel-Komitees laut. "Inakzeptabel", „unverdient", „eine Provokation" sei die Auszeichnung, empörte sich die Opposition. Kein Wunder: Die Ehrung Sirleafs wurde ausgerechnet vier Tage vor der Präsidentschaftswahl in Liberia verkündet, bei der die 72-Jährige am Dienstag für eine zweite Amtszeit kandidiert. Und während die erste frei gewählte Staatschefin eines afrikanischen Landes international einen hervorragenden Ruf genießt, ist die "Eiserne Lady" in ihrer Heimat keineswegs unumstritten.

Unverdient

„Seit ihrem Amtsantritt im Jahr 2006 hat sie dazu beigetragen, den Frieden in Liberia zu sichern, die wirtschaftliche und soziale Entwicklung zu fördern und die Position von Frauen zu stärken", hatte das Nobel-Komitee die Ehrung Sirleafs am Freitag begründet, die sich den Preis mit der ebenfalls aus Liberia stammenden Friedensaktivistin Leymah Gbowee und der jemenitischen Menschenrechtsaktivistin Tawakkul Karman teilt.
Ganz anders sieht es Winston Tubman von der Oppositionspartei Kongress für einen demokratischen Wandel, der als aussichtsreichster Herausforderer Sirleafs gilt: "Frau Sirleaf verdient den Friedensnobelpreis nicht, weil sie in diesem Land Gewalt begangen hat", sagt der 70 Jahre alte Neffe des früheren Staatschefs William Tubman. Ähnlich sieht es ein weiterer Oppositionskandidat, Kennedy Sandy. Sirleaf verdiene den Preis nicht, und die Liberianer würden ihn "nicht respektieren".

Hohe Arbeitslosigkeit

Wahlkampfparolen, könnte man denken. Aber tatsächlich gibt es nicht wenige in dem westafrikanischen Staat, die unzufrieden sind mit Sirleaf. Sie hatte nach ihrem Wahlsieg im November 2005 die Führung eines nach 14 Jahren Bürgerkriegs mit 250.000 Toten traumatisierten und weitgehend zerstörten Landes übernommen. Mit Hilfe des Internationalen Währungsfonds (IWF) konnte sie die Hauptstadt Monrovia teilweise wieder aufbauen, sie lockte Investoren ins Land und erlangte einen Schuldenerlass.

Immer noch sind aber 80 Prozent der Menschen ohne Arbeit, der größte Teil der vier Millionen Liberianer lebt in bitterer Armut, die Korruption, der Sirleaf den Kampf angekündigt hatte, grassiert nach wie vor. Vor allem aber wird Sirleaf vorgeworfen, zu wenig für die Versöhnung des Landes nach dem 2003 beendeten Bürgerkrieg getan zu haben. Wenige Kriegsverbrecher wurden belangt, immer wieder kommt es in dem Land zu gewaltsamen ethnischen Auseinandersetzungen.

Unterstützung Taylors

Sirleaf hängt zudem noch an, dass sie in den 90er Jahren den damaligen Warlord Charles Taylor finanziell unterstützte, bevor dieser von 1997 bis 2003 Liberias Staatschef wurde. Taylor wird derzeit vor einem internationalen Tribunal der Prozess wegen Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit während des Bürgerkrieges im Nachbarland Sierra Leone gemacht, wo er Rebellen unterstützt haben soll.
Wegen ihrer Unterstützung Taylors wurde Sirleaf 2009 gar auf eine Liste der liberianischen Kommission für Wahrheit und Versöhnung mit Persönlichkeiten gesetzt, die 30 Jahre lang kein öffentliches Amt bekleiden sollten. Die Empfehlungen der Kommission - in der auch die gemeinsam mit Sirleaf mit dem Friedensnobelpreis ausgezeichnete Gbowee saß - wurden allerdings nie vom Parlament verabschiedet und daher nie ausgeführt.

Die Wahl am Dienstag, bei der insgesamt 16 Präsidentschaftskandidaten antreten und bei der auch das Parlament und der Senat gewählt werden, dürfte ein organisatorischer Alptraum werden. In Liberia herrscht Regenzeit, außerhalb von Monrovia gibt es keine befestigten Straßen. Und während der Wahlkampf weitgehend friedlich verlief, wird neue Gewalt in dem Land befürchtet, das zur Wahrung des Friedens nach wie vor auf die 8.000 Soldaten der Blauhelm-Mission UNMIL angewiesen ist. (red, APA)