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Michael Fleischhacker will die Finanzierungschancen der "Presse" im digitalen Zeitalter genutzt wissen.

Foto: Roland Schlager/APA

Das "Presse" E-Paper ist seit gestern kostenpflichtig.

Foto: iTunes Store/11.10.2011/Redaktion

Es ist soweit: Die Presse hat ihr E-Paper von der kostenlosen Testphase auf bezahlpflichtig umgestellt. "Man muss versuchen auf den mobilen Devices von Anfang an einen Bezahlüberhang herzustellen, sonst schaffen wir das nächste Gratismedium", erklärt der karenzierte Chefredakteur Michael Fleischhacker den Denkansatz der Chefetage.

20.000 Unique Visitors wurden im September 2011 laut Geschäftsführer Peter Krotky gezählt, genaue Downloadzahlen zum E-Paper gibt es seiner Angabe nach nicht. 1,59 Euro kostet eine Ausgabe der Tageszeitung am iPad, für das Jahr werden 109,99 Euro verrechnet. Voll-Abonnenten können weiterhin über einen Abokey gratis auf das Angebot zugreifen.

Ernüchterung nach dem iPad-Rausch

"Wir waren ganz berauscht von unseren App-Downloadzahlen", erzählt Fleischhacker vom ersten iPad-Hype. Mit der Vergebührung "werden wir wahrscheinlich ähnliche Ernüchterungen erleben, wie die NYT bei ihrem ersten Paywall-Versuch. Bei jeder Vergebührung und Zuspitzung der Zielgruppe auf mehr Qualität und einen höheren Preis, muss ich fragen: Kann ich den Reichweitenverlust durch inhaltsbezogene Entgelte wirklich aufwiegen?"

Erster Vorbote der Bezahlpflicht war die "Presse von Morgen"-Sonderbeilage zum Thema "Paid Content" Ende August 2011. Vom Wandel der journalistischen Praxis war da zu lesen, vom iPad-Rausch und der Suche nach dem Erfolg im digitalen Zeitalter. Fleischhacker zog in seiner Kolumne den Vergleich zu zwischenmenschlichen Beziehungen: "Wer sich einmal auf eine Medienmarke eingelassen hat, ist bei allem, was diese Markenpersönlichkeit an neuen Verhaltensweisen (z.B. Vertriebswegen) und Aktivitäten (z.B. neuen Produkten wie Magazinen oder Applikationen) entwickelt, automatisch dabei. Und kann sich darauf verlassen, dass der Partner dasselbe Angebot nicht auch anderen macht, die nicht bereit waren, sich fest zu binden."

Fokus auf Unique Content

Die Paywall-Diskussion sei ebenfalls im Raum gestanden, berichtet Fleischhacker, man sei jedoch zum Schluss gekommen, dass dieses Modell für eine Marke auf dem begrenzten deutschsprachigen Raum undenkbar sei. Umsomehr müsse man sich der Denksportaufgabe stellen, neue Formen für Inhalte zu finden, die ihr Geld wert seien. Die Rede ist von Unique Content.

"Bei allen Qualitäts- und Anmutungsunterscheiden der österreichischen Tageszeitungen hat man bei nur ganz wenigen Dingen den Eindruck: diesen Inhalt kriege ich nur hier. Das ist das Grundproblem", analysiert Fleischhacker und sieht verborgenes Potential in neuen Erzähltechniken. "Man wird sich noch stärker auf originäre Fakteninhalte konzentrieren müssen, auf die Aufbereitung öffentlich zugänglicher Daten, um das Verständnis für Wirtschaft, Politik und Kultur zu stärken. Wir brauchen also eine sehr konservative Art von altmodischem Journalismus, um durch die Nutzung der technologischen Hilfen zu einer neuen Art des Geschichtenerzählens zu gelangen."

Mobile ist kein Gratismedium

Für Fleischhacker, der sich selbst als Marktforschungskeptiker beschreibt, ist die Zeit zum Handeln gekommen. "Mobil ist für die jüngere Generation mit einer bestimmten Bezahlselbstverständlichkeit verbunden. Sogar relativ dumme Technologien wie SMS und Klingeltöne konnte man hoch vergebühren und es hat die jungen Leute überhaupt nicht gestört. Wenn man in Endgeräten denkt und das scheint mir in einem gewissen Maß sinnvoll zu sein, heißt das, dass das Mobiltelefon als Hauptmediennutzungsdevice dieser jungen Generation viel eher mit einem Bezahlmodus verbunden ist als der Computerbildschirm." (tara/derStandard.at/11.10.2011)