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In Bedrängnis flüchtet es sich am besten nach vorn: Andreas Treichl putzt die Bilanz aus

Foto: APA/Hochmuth

Sobald wir die Genehmigung haben, wird die Rückzahlung stattfinden." Die Aussage von Andreas Treichl zum staatlichen Partizipationskapital ist gar nicht so lang her, und dennoch Geschichte. Wollte der Chef der Erste Group die 1,2 Milliarden schwere Staatshilfe noch vor Oktober refundieren, gibt es nun keinen konkreten Zeitplan mehr. Ein Kehraus in der Bilanz - vor allem Abschreibungen auf Beteiligungen in Osteuropa - erfordert einen Kurswechsel des Bankers.

Von "radikalen Maßnahmen wegen der Auswirkungen der Staatsschuldenkrise" , sprach Treichl am Montagvormittag vor Journalisten. Zu diesem Zeitpunkt war die Bankaktie wegen der morgendlichen Bekanntgabe der Wertberichtigungen um rund 17 Prozent nach unten geprügelt worden. Der Vorstandsvorsitzende war sichtlich bemüht, die erfolgten Schritte gut zu begründen: "Es ist jetzt keine Zeit für Fragezeichen, schon gar nicht in Bankbilanzen." Das Prinzip Tabula rasa heißt in der Umsetzung: Belastungen in Höhe von zwei Milliarden Euro. Im Detail: In Ungarn muss die Tochterbank abgeschrieben werden, dazu kommen Vorsorgen wegen der Zwangskonvertierung von Fremdwährungskrediten in Forint und der generell schlechten Qualität der Schuldner. Macht unter dem Strich 762 Millionen Euro an Belastungen im Nachbarland. Dazu kommt noch eine Aufstockung des Eigenkapitals der Erste Bank Hungary um bis zu 600 Millionen.

Nicht viel besser kam die Erste in Rumänien davon, wo die Beteiligung an der BCR um 627 berichtigt werden musste. Ein Schritt, wegen der die Aufsicht schon seit zwei Jahren im Ohr liege, wie Insider meinen.

Auch die Credit Default Swaps (CDS; eine Art Kreditausfallsversicherung) sollen immer wieder ein Thema gewesen sein, allerdings existierte bisher ein Wahlrecht. Das wird sich künftig ändern, weshalb Treichl die Marktbewertung vorzieht - und 460 Millionen Euro an Aufwand verbucht, wobei auch die Bilanzen 2009 und 2010 nachträglich korrigiert werden müssen. Die Umstellung der Erfassung der Kreditprovisionen schlägt mit weiteren 220 Millionen zu Buche.

Unter dem Strich bedeutet das für den Finanzkonzern heuer einen Verlust von 700 bis 800 Millionen, wie Treichl einräumte. Die Kernkapitalquote werde mit 9,2 Prozent trotz der Belastungen auf Vorjahresniveau bleiben, weil nicht alle der Maßnahmen in die Berechnung des Eigenkapitals einfließen. Treichls Interpretation des montägigen Überraschungscoups: "Wir investieren unseren Reingewinn des Jahres 2011 in außerordentliche Maßnahmen."

Auch andere Banken leiden

Zurück zum Staatskapital. Obwohl die Aktionäre heuer leer ausgehen und wegen der Verluste keine Bedienung der PS-Scheine notwendig wäre, will die Erste Group 90 Millionen Euro an den Staat ausschütten. Eine sachliche Begründung für die freiwillige Dividende hat Treichl nicht, es handle sich um eine "Bauchentscheidung" , meinte er.

Das Outing der Erste Group hat auch die Konkurrenz überrascht - und die Frage aufgeworfen, ob auch bei Raiffeisen Bank International (RBI) und UniCredit-Tochter Bank Austria größere Bilanzaufräumungsaktionen bevorstehen. Der Bankenexperte des Wirtschaftsforschungsinstituts, Franz Hahn, geht davon aus, wie er im ORF-Mittagsjournal sagte.

Was Ungarn betrifft, wird auch die RBI rund 100 Millionen nachschießen und "signifikante" Abschreibungen vornehmen. Dem Vernehmen nach ist der Bedarf vor allem bei Gemeinden hoch, an die eine Milliarde Euro in Franken verliehen wurde, deren Rückzahlung seit Oktober läuft. Insgesamt erwartet die RBI für heuer eine schwarze Bilanz.

In der Bank Austria ist Ungarn kein großes Drohpotenzial, der Firmenwert der dortigen Tochter beträgt 118 Mio Euro, im ersten Halbjahr schrieb die Bank einen Gewinn von 47 Mio. Euro. Die neuen Gesetze rund um Fremdwährungskredite (die BA hat rund 700 Mio. Euro vergeben; Erste Group rund drei Mrd. und Raiffeisen rund 1,5 Mrd.) werden die UniCredit-Tochter einen "niedrigen zweistelligen Millionenbetrag" kosten, heißt es in der Bank. Das große Sorgenkind Kasachstan wurde bereits um 776 Mio. Euro abgewertet, zum Halbjahr 2011 stand die Beteiligung noch mit 530 Mio. zu Buche. Die interne Prüfung läuft gerade.

In der Bawag besteht derzeit kaum Wertberichtigungsbedarf, man peilt einen kleinen Gewinn an. Hier heißt das Problem: Linz. Die Stadt streitet mit der Bawag wegen Franken-Kreditgeschäfte. Diese Woche wird entschieden, ob Linz die Zinsen fürs zweite Halbjahr (rund 20 Mio. Euro) bezahlt. Sollte sie das nicht tun, müsste die Bawag klagen und ihr Gesamtobligo fällig stellen - der Rückstellungsbedarf im Worst Case: 600 Millionen. (as, gra, DER STANDARD, Print-Ausgabe, 11.10.2011)