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Ein Brief, der Anthrax enthielt, präsentiert vom US-Justizministerium im Oktober 2001.

Foto: AP Photo/FBI, File

New York / Wien - Ein Jahrzehnt nach den Anschlägen mit Milzbranderregern (Anthrax) in den USA hegen Wissenschafter Zweifel an der bisher gültigen Lösung des Falles. Die New York Times berichtet, drei US-Experten hätten unverwechselbare Chemikalien - darunter Zinn - in getrockneten Anthraxsporen gefunden, die darauf hinwiesen, dass diese mit hochgradigem Fachkönnen produziert worden sind. Dies spreche gegen die These, dass der Wissenschafter Bruce Ivins in dem Fall, bei dem fünf Menschen starben, "der einzige Verantwortliche" gewesen sei, wie Staatsanwalt Jeffrey Taylor erst im August 2008 in Washington erklärt hatte. Eine Woche zuvor hatte der Biowaffenexperte der US-Regierung Selbstmord begangen. Entweder habe Ivins Mithelfer gehabt, oder er sei es nicht gewesen, meinten die US-Experten nun.

Eine von ihnen ist die Chemotechnikerin Alice P. Gast, Präsidentin der Universität Lehigh. Sie hat ein halbes Jahr lang FBI-Dokumente analysiert und kam zu dem Schluss, dass chemische Merkmale der Anthraxsporen bei den Ermittlungen nicht genügend berücksichtigt worden seien.

Die New York Times berichtet, der Zeitung vorliegende FBI-Dokumente zeigten, dass bei den jahrelangen Ermittlungen zu Beginn auf Zinn als Bestandteil des Pulvers fokussiert worden sei. Es sei sogar als möglicher Schlüssel zur Lösung des Falls bezeichnet worden. Später seien die Nachforschungen in diese Richtung eingestellt und das Vorkommen von Zinn nie öffentlich erwähnt worden. Andere Wissenschafter, die die FBI-Dokumente ebenso analysiert hätten, sagten jedoch, dass Zinn vielleicht später einfach nicht mehr als Schlüssel zur Lösung des Falles betrachtet worden sei und die Sporen womöglich zufällig damit kontaminiert worden seien.

Fall gilt weiter als gelöst

Ein Sprecher des Justizministeriums sagte, die Dokumente zeigten keine Anhaltspunkte auf, wonach das Pulver woanders als in Fort Detrick hergestellt worden sei - wo Ivins jahrelang gearbeitet hatte. Der Sprecher sagte weiters, man halte daran fest, dass der Fall gelöst sei.

Im Jahr 2001 hatten Briefe mit Anthrax-Sporen, die an Medien und Politiker adressiert gewesen waren, fünf Menschen das Leben gekostet, 13 weitere erkrankten. Vor Ivins war ein anderer Mann fälschlicherweise als Beschuldigter geführt worden. Ihm wurden später 2,8 Millionen Dollar (rund 2 Mio. Euro) Schadenersatz zugesprochen. (spri, DER STANDARD, Printausgabe, 11.10.2011)