Der spöttische Ton gegenüber der Homöopathie, den Vince Ebert in seinem am 24.09.2011 auf derStandard.at erschienenen Artikel anklingen lässt, stößt bei Friedrich Dellmour, wie man dessen Replik vom 30.09.2011 entnehmen kann, auf wenig Verständnis. Ebert verwechsle Glauben mit Wissen, so der Leiter der Wissenschaftsredaktion der Österreichischen Gesellschaft für Homöopathische Medizin, der mit einer Reihe von wissenschaftlichen Untersuchungen und Erkenntnissen kontert, die die Wirksamkeit der Homöopathie jenseits des Placeboeffekts beweisen sollen.

Qualität der Studien berücksichtigen

Da die überwältigende Mehrheit der Wissenschaftler Homöopathie für Quacksalberei und geradezu für ein Paradebeispiel von Pseudowissenschaft hält, verblüfft es, dass Dellmour ausgerechnet die Wissenschaft selbst als Kronzeugin pro Homöopathie ins Feld führt. Wie sich herausstellt, muss sie in dieser Rolle allerdings zwangsläufig scheitern, und der Grund dafür ist, dass Dellmour zwar wissenschaftliche Arbeiten zitiert, sich dabei aber nicht an die Regeln des wissenschaftlichen Diskurses hält. Diese schreiben nämlich vor, dass man zur Bewertung der Wirksamkeit eines Verfahrens stets die Gesamtheit der dazu verfügbaren wissenschaftlichen Literatur heranzieht und dabei die Qualität der einzelnen Studien angemessen berücksichtigt. Keinesfalls aber ist es zulässig, sich lediglich die genehmen Resultate wie Rosinen aus dem Kuchen zu picken und dann zu erklären, ein Guglhupf sei als Obst einzustufen, bestehe er doch zweifellos aus getrockneten Weintrauben.

Alt und methodisch mangelhaft

Die von Dellmour zitierten Versuche an der Tierärztlichen Hochschule Hannover beispielsweise sind über 20 Jahre alt, methodisch mangelhaft und konnten nie erfolgreich repliziert werden. Damit reihen sie sich in eine lange Liste von scheinbaren Durchbrüchen ein, die sich später als Illusion erwiesen. Ebenso wenig ist die an der Charité erstellte Übersichtsarbeit über experimentelle Studien ein Beweis der Wirksamkeit homöopathischer Hochpotenzen. Auch hier ist das Kernproblem die mangelnde Reproduzierbarkeit der positiven Ergebnisse. Tatsächlich waren zwar 73 Prozent der Replikationsversuche positiv, jedoch schrumpfte diese Zahl nach Elimination der methodisch minderwertigen Versuche auf magere 18 Prozent. Was Dellmour verschweigt, die Autoren der Arbeit aber deutlich machen, ist, dass am Ende kein einziges der positiven Resultate so stabil war, dass es allen Replikationsversuchen standhalten konnte. Genau dasselbe gilt auch für die von Dellmour angeführten "neuen physikalischen Forschungsarbeiten".

Ähnliches lässt sich über die von Dellmour erwähnten 63 positiven klinischen Studien zur Homöopathie sagen. Wie man aus etlichen Analysen der insgesamt etwa 200 dokumentierten klinischen Homöopathie-Studien weiß, sind die allermeisten Untersuchungen sowohl klein als auch methodisch mangelhaft.

Negative Studien werden seltener publiziert

Außerdem weiß man, dass negative Studien seltener publiziert werden als positive. Dieser sogenannte Publikationsbias lässt das reine Abzählen von positiven Studien zu einem bloßen PR-Gag verkommen. Das korrekte Vorgehen wäre, die methodische Qualität und die Größe der Studien in die Analyse mit einzubeziehen. Genau das tat 2005 eine viel beachtete moderne Metaanalyse - die von Dellmour zitierte "Egger-Studie". Sie kam zu dem Schluss, dass die Wirksamkeit der Homöopathie sich in den Daten nicht von der eines Placebos unterscheidet. Dellmour behauptet nun, dass eine Nachuntersuchung dieser Metaanalyse den Vorwurf der Placebowirkung widerlegt und die Wirksamkeit der Homöopathie gezeigt hätte. Leider ist diese erstaunliche Behauptung schlicht unwahr und lässt vermuten, dass Dellmour die Nachuntersuchung gar nicht im Detail gelesen hat. Deren Autoren Lüdtke und Rutten verneinen diese Behauptung nämlich ausdrücklich im ersten Satz ihrer Schlussfolgerungen.

Objektive Metaanalyse

Nicht besser steht es auch um das Health Technology Assessment (HTA), das laut Dellmour die Homöopathie positiv bewertet habe. Dieser Bewertungsbericht, der im Zuge eines stark politisierten Prozesses unter Mitwirkung homöopathiefreundlicher Autoren erstellt wurde, basiert zu großen Teilen auf der subjektiven Einschätzung seiner Verfasser. "Es steht ausser Frage", heißt es folglich auch im Schlussbericht zu dieser Arbeit, "dass strikte Vertreter der üblichen Evidenzhierarchie die vorgelegten Bewertungen [...] als wissenschaftlich unhaltbar und unangemessen positiv bewerten werden". Um die Einschätzung der Wirksamkeit von solch subjektiven Einflüssen frei zu halten, wurde von der Schweizer Regierung parallel zum HTA eine objektive Metaanalyse in Auftrag gegeben und auch erstellt. Dabei handelt es sich aber um genau jene oben erwähnte "Egger-Studie", die zum Leidwesen der Homöopathen ein negatives Resultat hervorbrachte.

Dies alles muss man nicht zuletzt vor dem Hintergrund der extremen, geradezu absurden Unplausibilität einer wie auch immer gearteten Wirkung von homöopathischen Hochpotenzen sehen. Tatsächlich ist nämlich Eberts Bild vom Autoschlüssel, der in Frankfurt in den Main geworfen wird, um dann mit Würzburger Mainwasser das Fahrzeug starten zu können, kein Zerrbild, sondern eine nahezu perfekte Analogie zur vorgeblichen Wirkung der Globuli. "Es handelt sich bei der Übertragung von Startinformation um ein Resonanzphänomen", würde der pseudogelehrte Alternativautomechaniker diesen Vorgang vermutlich erklären - und damit ebenso nichtssagend bleiben wie seine Kollegen aus der Paramedizin.

Man kann sicher Verständnis dafür aufbringen, dass die Vertretung der heimischen Homöopathen die Wirksamkeit ihrer lukrativen Therapieform in der Öffentlichkeit schön zureden versucht. Dabei sollte sie sich allerdings nicht anmaßen, auf die Wissenschaftlichkeit zu verweisen. Denn mit Wissenschaft ist der verbreitete Glaube an die Homöopathie am allerwenigsten zu rechtfertigen. (Leser-Kommentar, Ulrich Berger, derStandard.at, 12.10.2011)