Grenzen überschreiten, geeint handeln: Ein Appell an die Regierungen der Eurozone, nationale Interessen hintanzustellen und sich über ein Sofortprogramm zur Lösung der Schuldenkrise zu einigen. (Der Aufruf erscheint zeitgeich in jeweils einer Tageszeitung aller Metropolen der Eurozone und wurde bisher von mehr als 90 Persönlichkeiten unterzeichnet.)

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Die Eurokrise muss sofort gelöst werden. Die derzeitigen Maßnahmen sind nicht ausreichend, kommen zu spät und lösen weltweit Verwerfungen auf den Finanzmärkten aus. Der Euro ist weit davon entfernt, perfekt zu sein. Dies hat die derzeitige Krise gezeigt. Als Reaktion darauf muss man jedoch die Konstruktionsfehler beheben statt zuzulassen, dass durch die Krise das globale Finanzsystem untergraben oder womöglich zerstört wird.

Als besorgte Europäer rufen wir die Regierungen der Eurozone dazu auf, prinzipiell die Notwendigkeit eines rechtlich bindenden Abkommens anzuerkennen, das die folgenden Punkte enthält: erstens, die Errichtung eines gemeinsamen Finanzinstituts, das dazu in der Lage ist, finanzielle Mittel für die Eurozone als Ganzes zu beschaffen und sicherzustellen, dass die Mitgliedsstaaten die Haushaltsdisziplin respektieren; zweitens, die Verstärkung der gemeinsamen Überwachung und Regulierung (des Finanzsystems) und der Einlagensicherung innerhalb der Eurozone; und drittens die Entwicklung einer Strategie, die sowohl wirtschaftliche Konvergenz als auch Wirtschaftswachstum erzeugt, da das Schuldenproblem nicht ohne Wachstum gelöst werden kann. - Bis ein rechtlich verbindliches Abkommen ausgehandelt und ratifiziert ist, müssen die Regierungen der Eurozone die Europäische Finanzstabilisierungsfazilität (EFSF) und die Europäische Zentralbank (EZB) zu einer verstärkten Zusammenarbeit ermächtigen, damit die Krise unter Kontrolle gebracht werden kann.

Diese Institutionen wären dadurch in der Lage, die Stabilität des Bankensystems in der Interimszeit zu garantieren und ihm schließlich Kapital zuzuführen. Außerdem würden sie es in dieser Zeit in Bedrängnis geratenen Ländern ermöglichen, innerhalb vereinbarter Obergrenzen ihre Schulden fast kostenfrei zu refinanzieren, indem diese kurzlaufende Schuldverschreibungen begeben die bei der EZB rediskontiert werden können.

Wir rufen die Parlamente der Euroländer dazu auf, anzuerkennen, dass der Euro eine europäische Lösung benötigt. Das Streben nach nationalen Lösungen führt unweigerlich zum Zusammenbruch.

Martti Ahtisaari (Finnland),

Emma Bonino (Italien)

Daniel Cohn-Bendit (Deutschand),

Massimo D'Alema (Italien)

Joschka Fischer (Deutschand)

Timothy Garton Ash (UK)

Anthony Giddens (UK)

Alfred Gusenbauer (Österreich)

Bernard Kouchner (Frankreich)

Tadeusz Mazowiecki (Polen)

Aleksander Smolar (Polen)

Javier Solana (Spanien)

Pavol Demes (Slowakei)

George Soros (Ungarn/US)

Guy Verhofstadt (Belgien)

Loukas Tsoukalis (Griechenland) ...

(DER STANDARD, Printausgabe, 12.10.2011)