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Kreditausfallsversicherungen sind nicht per se schlecht, doch sie haben durchaus das Potenzial, das Kartenhaus der Finanzmärkte einbrechen zu lassen oder ihnen zumindest einen ordentlichen Dämpfer zu erteilen.

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Die Rufe nach einer geordneten Pleite Griechenlands werden immer lauter. In der EU beginnen die Mauern gegen einen Schuldenschnitt zu fallen, viele sehen darin den letzten Ausweg aus einer Krise, die viel tiefer und nachhaltiger ist, als man angenommen hatte. Wie das aber funktionieren soll, so eine geordnete Staatspleite, das weiß noch niemand. Es gibt keine Blaupause dafür. Welche Auswirkungen eine Staatspleite nicht nur auf das Land selber, sondern auch auf das Universum der Finanzinstitute haben können, auch diese Frage kann keiner beantworten. Denn eines wissen wir spätestens seit der 2008-er-Finanzkrise: Auf den Märkten tummeln sich Finanzprodukte, die das Potenzial zur Bombe haben. Produkte, von deren Existenz zwar alle wissen, aber keiner kann abschätzen, wie viel davon wo herum liegen. Und so treffen wir auch in der derzeitigen Krisensituation alte Bekannte wieder: CDS, zu Deutsch "Kreditausfallsversicherungen" (Credit Default Swaps).

Schon 2008 sorgten CDS für einen beispiellosen Tumult an den Märkten, der letztlich dem US-Großversicherer AIG das Genick brach. Was versteckt sich aber hinter den harmlosen drei Buchstaben, denen Investoren-Legende Warren Buffett das wenig schmeichelhafte Attribut "finanzielle Massenvernichtungswaffe" schenkte? Und warum rücken sie wieder ins Rampenlicht?

Wie der deutsche Ausdruck nahelegt, handelt es sich bei CDS um eine Art Versicherung. Eine Versicherung, mit der das Kreditrisiko und das Risiko des Schuldner-Ausfalls abgedeckt werden kann. Wie das genau funktioniert, erklärt Matthias Bank, Professor für Bankwirtschaft an der Universität Innsbruck, im Gespräch mit derStandard.at so: "Stellen Sie sich vor, Sie haben eine griechische Staatsanleihe in Ihrem Portfolio, und wollen dieses Kreditrisiko nicht tragen, dann gibt es die Möglichkeit, am Markt ein solches CDS zu kaufen. Wenn also ein bestimmtes Event eintritt, also ein Ausfall des Kredits, dann ersetzt der Versicherer Ihnen diesen Verlust. Dafür muss man eine Prämie zahlen."

Prämien

Die Prämie orientiert sich an der Höhe des Risikos und preist auch die Laufzeit des zugrundeliegenden Kredit oder der Anleihe ein. Genau das kann man jetzt bei Griechenland beobachten: Das Risiko, dass die griechischen Anleihen nicht mehr bedient werden, das Land überhaupt den Bankrott erklären muss, steigt ständig. Damit steigen auch die Preise für CDS. Und die Wahrscheinlichkeit, dass die derzeit schon im Markt befindlichen CDS fällig werden. Der Versicherte also seine Versicherung ausbezahlt bekommen will. Von der anderen Seite betrachtet, könne man CDS-Preise aber auch als Indikator für die Wahrscheinlichkeit einer Pleite hernehmen, meint Matthias Bank. Diese liege mittlerweile bei nahe 100 Prozent, am Finanzmarkt wird also mittlerweile nicht mehr nur befürchtet, sondern schon erwartet, dass Griechenland nicht mehr zu retten ist.

Irgendwann Ende der 1990-er Jahre kam man auf die Idee, Kredite beziehungsweise Anleihen derart zu besichern. Im Grunde genommen auch keine schlechte Idee. Für Uni-Professor Bank handelt es sich "unter volkswirtschaftlichen Gesichtspunkten (...) bei CDS um eine bessere Allokation von Risiken und das ist positiv zu sehen". Nur dabei ist es nicht geblieben.

Zahlreiche Unbekannte und Versagen von Regulierungs- oder Kontrollmechanismen ließen schon 2008 das Kartenhaus zusammenbrechen. Besonders die Möglichkeit, CDS auch als reines Spekulationsprodukt zu erwerben, zeigte die Schwachstellen auf. Jeder am Markt kann nicht nur seine eigenen Gläubigerrisiken versichern lassen. Man kann CDS auch erwerben, wenn man selbst gar kein Risiko trägt. Ein bisschen ist das dann so, wie wenn man eine Feuerversicherung auf das Haus des Nachbarn kauft. Falls des Nachbarn Haus also abbrennt, dann kassiert man auch. „Naked CDS" heißt das dann. 

Genau hier tun sich dann auch die Abgründe auf, vor denen Europa und die Finanzwelt nun wieder steht und zittert: Keiner weiß genau, wer wo wie viele CDS in seinen Portfolios hat. Und wie viel Geld bzw. potenzielle Forderungen im Falle des Schuldnerausfalls in dieser Form existieren. Zahlen der Branchenvereinigung International Swaps and Derivatives Association (ISDA) zufolge lag das Volumen ausstehender CDS-Kontrakte im Jahr 2010 bei zirka 30 Billionen US-Dollar. Wie viele davon rein spekulativ sind und wie viele tatsächliche Kreditrisiken besichern, lässt sich aus der Zahl nicht herauslesen.

Lukratives Geschäft

Für Banken, die typischerweise CDS ausgeben, sind sie ein durchaus lukratives Geschäft. Banken würden in der Regel versuchen, CDS weiterzuverkaufen und ihr eigenes Risiko zu hedgen, erklärt Bank. "Die Banken lukrieren ihren Gewinn daraus, dass sie beim Weiterverkauf eine kleine Marge einstreichen. Für Banken ist das deswegen interessant, weil sie kein Kapital hinterlegen müssen, es handelt sich im Grund um einen Arbitrageprofit." Sind auch die Gewinne relativ gering, die hohen Nominalwerte und Umsätze machen das Kraut aber schließlich fett, das Geschäft mit den CDS zu einem lukrativen.

Damit sind reinen Spekulationen mit den CDS Tür und Tor geöffnet. Und auch einer potenziellen Gefahrenquelle. Denn grundsätzlich gibt die Bank, die ihr ausgegebenes CDS weiterverkauft auch das Risiko des Ausfalls des Basiswerts weiter. Der nächste Käufer des CDS, vielleicht wieder eine Bank oder ein Hedgefonds, hat nun das Risiko erworben. Wozu? Meist zu rein spekulativen Zwecken. Steigt das Risiko - wie derzeit bei Griechenland, Italien oder Spanien, steigt auch der Preis des CDS. Verkauft man das wiederum weiter, streicht man einen Gewinn ein. Und gibt das Risiko wieder an den nächsten weiter.

"Stellen Sie sich aber vor, die Bank hat weiterverkauft, und das Gegenüber fällt aus", gibt Matthias Bank zu Bedenken. Das sogenannte "Counterparty Risiko", also jenes, das mein Käufer nicht zahlen kann, dürfe man nicht außer Acht lassen. Letztlich war es auch genau dieses Counterparty-Risiko, das den US-Versicherer AIG ins Wanken brachte. Das Gegenüber im Falle der AIG war nämlich Lehman Brothers, und die Bank ging bekanntlich 2008 den Bach runter. Mit dem Effekt, dass AIG auf den CDS, die sie an Lehman weiterverkauft hatten, sitzengeblieben ist und damit in den Ruin gestürzt wurde.

Zu wenig reguliert

CDS werden außerdem nicht über eine Börse gehandelt, "die dazwischen geht", so Bank. Sie gehören zum Over-The-Counter-Markt (OTC). Und da gebe es auch keine Institution, bei der eine Einschusspflicht bestehen wurde, und das Geld tatsächlich hinterlegt werden müsste. "Das ist auch eine ganz wichtige Forderung als Lehre aus der Finanzmarktkrise der vergangenen Jahre, dass auch CDS über eine Clearing-Stelle gehandelt werden sollen. Sonst kann es zum Dominoeffekt kommen", stellt Bank fest. Das war auch eine zentrale Forderung als Lehre aus der Subprimekrise. Nur, Konsequenzen wurden bis dato nicht gezogen. Matthias Bank fordert daher: "CDS müssen über eine Börse mit margin accounts gehandelt werden, denn dann wissen wir auch, wer welche Risiken hat und es sind auch Sicherheiten da. Das Problem wäre damit vom Tisch." Wer damit spekulieren wolle, könne das letztlich immer noch tun.

Würde Griechenland endgültig die Insolvenz anmelden, dann bleiben also nicht nur die Fragen nach dem "Wie geht überhaupt eine Staatspleite" offen. Auch kann nur spekuliert werden, wie viel vor allem die Banken für fällige CDS berappen werden müssen. Ob sie das überhaupt stemmen können, ist eine andere Frage. Die Stimmen derer mehren sich schließlich, dass die Banken unterkapitalisiert, wenn nicht gar überhaupt insolvent sind. Aber bleiben wir beim eigentlichen Thema.

Ähnlich wie bei der Insolvenz eines Unternehmens, wird auch bei den CDS nicht der gesamte Kredit-/Anleihenbetrag fällig, sondern nur der Verlust abzüglich der Liquidationserlöse. Was bei einem Unternehmen noch relativ einfach ist - kann doch so gut wie alles verkauft werden -, stellt bei einem Staat ein neues Problem dar. Man kann schlecht alles verscherbeln, um die Gläubiger zu bezahlen, beziehungsweise wird man nicht für alles in ausreichender Schnelligkeit einen Käufer finden. Bei einem Schuldenschnitt Griechenlands in der Höhe von 50 Prozent wäre der Verlust 50 Prozent, und den müssten CDS-Ausgeber letztlich auch ersetzen.

Was ist nun mit den CDS? Sind sie Produkte aus der Hölle oder nicht? Matthias Bank fasst es gegenüber derStandard.at so zusammen: "CDS sind kein Teufelszeug. Die Frage ist nur, wie müssen sie reguliert werden, damit sie keine Massenvernichtungswaffen sind." Nur mit einer entsprechenden Regulation könnte man spekulative Exzesse vermeiden und die Risiken des CDS-Marktes beherrschen. Damit könnte man eben auch dem Problem zu Leibe rücken, dass nicht bekannt ist, wie groß das Risiko eines Zusammenbruchs des CDS-Marktes für eine bestimmte Anleihe ist und welche Auswirkungen er auf den gesamten Finanzmarkt hätte. (Daniela Rom, derStandard.at, 13.10.2011)