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Die Wechselfreude bei Strom hält sich in Grenzen.

Foto: APA/Herbert Neubauer
Grafik: Standard

Zehn Jahre nach Liberalisierung des Strommarktes nutzen Österreichs Haushalte die Möglichkeit, zu einem günstigeren Anbieter zu wechseln, nur in seltenen Fällen. Dadurch zahlen sie 400 Millionen mehr, als nötig wäre.

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Wien - Die freie Wahl des Stromanbieters, die es in Österreich seit mittlerweile zehn Jahren gibt, wird nur von einer Minderheit genutzt. "Würden alle Haushaltskunden zum jeweils günstigsten Anbieter in der Region wechseln, würde die Energierechnung in Summe um jährlich rund 400 Millionen Euro geringer ausfallen", sagte der Chef der E-Control, Walter Boltz, am Mitwoch.

Zuletzt haben pro Jahr nur 60.000 bis 70.000 der insgesamt gut vier Millionen Haushaltskunden in Österreich einen Strombezugsvertrag bei einem anderen als dem angestammten Anbieter unterschrieben. Mit etwa 1,5 Prozent (siehe Grafik) ist die Wechselrate hierzulande deutlich niedriger als beispielsweise in Deutschland oder Belgien (jeweils rund fünf Prozent) - von Großbritannien (knapp 20 Prozent) ganz zu schweigen.

In der E-Wirtschaft interpretiert man die geringe Wechselbereitschaft als hohes Maß an Zufriedenheit der Stromkunden. Nicht der Preis allein sei entscheidend, das Rundum müsse stimmen, damit ein Kunde Stammkunde bleibe.

Wettbewerb schaumgebremst

Horst Ebner, Vorstandsmitglied der Ökostrom AG, sieht in den Überkreuzbeteiligungen der etablierten Stromanbieter die Hauptursache, warum in Österreich der Wettbewerb am Strommarkt seit Beginn der Liberalisierung im Oktober 2001 "nur schaumgebremst" stattfindet. "Die neuen Anbieter waren durchwegs Ableger etablierter EVUs (Stromversorgungsunternehmen; Anm.), die wollen sich wechselseitig nicht wehtun", sagte Ebner dem Standard.

Michael Krammer, der als Chef des Mobilfunkanbieters Orange Österreich in einer seit 13 Jahren liberalisierten Branche tätig ist, hält den Wettbewerb in der Strombranche für ausbaufähig. Einen Monat nach Wechsel des Stromlieferanten habe dieser den Preis schlagartig um 20 Prozent erhöht. "So etwas ginge bei uns nicht. Der Wettbewerb ist so intensiv, Kunden würden wechseln", sagte Krammer (siehe Interview).

Die Energie-Regulierungsbehörde E-Control mit Boltz und Martin Graf an der Spitze hofft, dass durch mehr Transparenz auf den Rechnungen ab nächstem Jahr auch die Wechselrate steigt. Mittelfristiges Ziel seien vier bis fünf Prozent pro Jahr, optimal seien sieben bis zehn Prozent. Boltz: "Das würde mäßigend auf die Preisentwicklung wirken."

Insgesamt sei die Strommarktliberalisierung ein Erfolg. Insbesondere die in mehreren Schritten erzwungene Senkung der Netztarife habe Österreichs Haushalten eine jährliche Ersparnis von 640 Mio. Euro gebracht. Das Ende der Fahnenstange sei noch nicht erreicht.

Zusätzliche Kostensenkungen könnte es durch ein Zusammenlegen von Netzgesellschaften geben. Die E-Control geht davon aus, dass erste Netzfusionen noch heuer, spätestens aber 2012 zu sehen sein werden. (Günther Strobl, DER STANDARD, Print-Ausgabe, 13.10.2011)