Freiheitliches Spektakel im Parlament mit Pannen: Obmann Strache lobt nun Aus- statt Inländer - und erntet nichts als Schelte von den anderen Parteien.

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Wien - Ein Lehrstück in Sachen direkter Demokratie sollte es werden: Doch gleich bei der Begrüßung scheint FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache plötzlich vergessen zu haben, dass seit mehr als neunzig Jahren auch aktives wie passives Wahlrecht für das weibliche Geschlecht gilt - und sich deswegen schon jede Menge Frauen in der Spitzenpolitik tummeln. "Meine sehr geehrten Herren auf der Regierungsbank!", eröffnet Strache die Sondersitzung auf Antrag der Blauen am Mittwoch im Parlament. Verwundertes Lachen im Saal. " ... und Frauen freilich mittlerweile auch ... ", fährt er zerstreut fort, ohne sich näher zu korrigieren.

Strache hat angesichts der desaströsen Vertrauenswerte in die Politik einen ganzen Wust an Vorwürfen gegen die Koalition mitgebracht - und will jetzt eine Volksbefragung zu einem halben Dutzend Themen anzetteln (siehe Wissen), um das Land vor dem Untergang zu bewahren. Der teure Euro-Rettungsschirm, "den Rot-Schwarz mit dem grünen Blinddarm" ermöglicht haben, trägt für ihn etwa dazu bei.

Blaues Lob für Ausländer

Bei der Gelegenheit lässt Strache sogar den östlichen Nachbarn hochleben, der den finanzmaroden Griechen weitere Unterstützung in einer ersten parlamentarischen Abstimmung verweigert hat: "Respekt vor den Slowaken!", ruft der FPÖ-Chef ins Plenum. "Das war ein Zeichen, dass man sich dort nicht alles gefallen lässt!" Und auch weitere Ausländer lobt Strache für ihren tadellosen Zugang zum Volk. Etwa die Schweizer für ihre unzähligen Volksabstimmungen.

Sein Fazit: Drei oder vier Volksbefragungen brauche es auch hierzulande im Jahr, damit über das Volk nicht ständig drübergefahren werde. Mit hocherhobenen Zeigefinger hält er dem roten Kanzler vor: "Für Sie ist das Volk sogar manchmal eine Plage!" Mit einem "Es lebe die direkte Demokratie und unsere Heimat Österreich!", tritt Strache ab vom Rednerpult.

Nun ist Werner Faymann dran, eigentlich auch ein Fan der Instrumente der direkten Demokratie. Plebiszite kann sich ja bekanntlich auch der Kanzler über EU-Verträge, Türkei-Beitritt, Wehrpflicht und - auf EU-Ebene - zu einer Finanztransaktionssteuer vorstellen. Doch vom SPÖ-Chef gibt es null Unterstützung dafür, die Rettungspakete für den Euro einem Referendum zu unterziehen. Faymann: "Für Demokratie braucht es ein höheres Ausmaß an Sachlichkeit, an Tiefgang, an konstruktiver Diskussion!"

Auch von Schwarz und Grün gibt es Schelte für das freiheitliche Spektakel. ÖVP-Klubchef Karlheinz Kopf prangert die "Festspiele für Populisten" an. Grünen-Obfrau Eva Glawischnig spricht von einem "erbärmlichen Antrag".

FPÖ-General Herbert Kickl springt da sogleich seinem Chef bei: In Richtung Faymann keppelt er, der Kanzler werde einmal bloß als Inserator statt als Reformator in die Geschichte eingehen.(Nina Weißensteiner, DER STANDARD, Printausgabe, 13.10.2011)