Hans Niessl (60) ist seit 2000 Landeshauptmann des Burgenlandes.

Foto: Landesmedienservice Burgenland

Standard: Wenn die Erinnerung nicht täuscht, war es 2001, als Sie erstmals von einem stromautarken Burgenland bis 2013 geredet haben. Wie sind Sie zu diesem, damals durchaus abseitigen Kernthema Ihrer Amtszeit gekommen?

Niessl: Mit der Windkraft bin ich seit Mitte der 90er-Jahre konfrontiert gewesen. Der damalige Bürgermeister meiner Geburtsgemeinde Zurndorf, Rudolf Suchy, hat es mit viel Hartnäckigkeit durchgesetzt, dass 1997 in Zurndorf die ersten Windräder aufgestellt wurden. Damals war ich Bürgermeister in Frauenkirchen, und als ich dann Landeshauptmann wurde, war mir klar, dass wir diesen Weg der erneuerbaren Energien weitergehen müssen. Ich war ja immer schon ein Gegner der Atomkraft. Mir ist wichtig, nicht nur zu kritisieren, sondern auch Alternativen umzusetzen. Und das ist eben die Windenergie.

Standard: Hier im Nordburgenland, woanders wohl nicht.

Niessl: Jede Region muss die jeweils vorhandenen Ressourcen nützen. Das Burgenland hat keine großen Flüsse, die Wasserkraft fällt also weg. Wir sind am Limit bei der Biomasse. Also müssen wir unsere Ressource Wind optimal nützen. Das haben wir in den vergangenen zehn Jahren in einem recht hohen Tempo getan.

Standard: Ausgeglichen ist die Strombilanz des Burgenlandes aber noch nicht?

Niessl: Jetzt kommt der zweite große Schwung. Die Bewag wird bis spätestens 2014 500 Millionen Euro - die größte Einzelinvestition in der Geschichte des Landes - in die Windkraft investieren. Allein in diesen Wochen werden wir 30 Megawatt an neuer Windkraft aufstellen, darunter die zwei größten Windräder, die es in Europa gibt. Die 30 MW sind wiederum 17 Prozent des burgenländischen Stromverbrauchs. Wir sind also auf dem Weg zur Stromunabhängigkeit.

Standard: Bis wann wird das erreicht sein?

Niessl: Ich bleibe dabei, was ich 2001 gesagt habe. Bis Ende 2013 werden wir mit hoher Wahrscheinlichkeit diese Stromunabhängigkeit erreicht haben. Dann werden wir weiterschauen, vielleicht sogar Strom in andere Bundesländer liefern können.

Standard: Erlauben Sie mir da leise Zweifel?

Niessl: Schauen Sie sich doch die Dynamik an: 2000, als ich Landeshauptmann geworden bin, haben wir knapp drei Prozent des Strombedarfs selbst abgedeckt. Jetzt sind es mehr als 50. Und wenn ich ins Jahr 2013 schaue, dann werden wir - das ist das Ziel - die erste Region in Europa sein, die 100 Prozent des Strombedarfs aus erneuerbarer Energie abdecken kann.

Standard: Die Biomasse wird da ihren Beitrag leisten müssen?

Niessl: In Güssing ist in den vergangenen zehn Jahren sehr viel investiert worden. Güssing ist einer der Schwerpunkte des Burgenlandes in Forschung, Entwicklung und Innovation. Dort sind hohe Förderungen hingeflossen, damit man aus Biomasse Wärme, Strom, Gas und Sprit erzeugt. Ich hoffe, dass in den nächsten Jahren auch ein entsprechender Output kommen wird.

Standard: Ist das jetzt eine Kritik an Güssing?

Niessl: Es ist nur die Feststellung, dass viel Geld hingeflossen ist, und dass man sich da natürlich auch konkrete Ergebnisse erwartet. Die gibt es ja, aber nun soll das auch in der Praxis umgesetzt werden.

Standard: Wie wird Ihrer Meinung nach die Aufteilung zwischen Wind und Biomasse-Energie in Zukunft sein?

Niessl: Man muss das Ganze im Auge behalten: Wind, Biomasse, Erdwärme, Sonne. Und wenn dann die Elektromibilität kommt, schließt sich der ökologische Kreislauf. Das ist eine meiner Visionen: Dass wir nicht nur 100 Prozent des Strombedarfs selbst erzeugen, sondern diesen Strom auch für die Elektromobilität zur Verfügung stellen können. Damit haben wir keine Umweltbelastung mehr. Das wird ein ganz entscheidender Beitrag zum Klimaschutz und damit zum Überleben der nächsten Generationen. Aber da sind noch einige Zwischenschritte notwendig. Zum Beispiel die Erhöhung der Speicherkapazitäten.

Standard: Das Burgenland als Lieferant für Spitzenstrom?

Niessl: Das ist jedenfalls meine Vision.

Standard: Ohne zusätzliche Förderungen wird das nicht gehen.

Niessl: Der Staat ist gut beraten, auf Alternativenergie zu setzen. Wenn wir die Kioto-Ziele nicht erreichen, werden hunderte Millionen Euro für Zertifikat-Ankäufe notwendig. Alles, was ich jetzt in die Alternativenergie hinein investiere, reduziert den Ankauf von Öko-Zertifikaten. Zusätzlich wird die Handelsbilanz entlastet und Beschäftigung geschaffen. (Wolfgang Weisgram, DER STANDARD, Printausgabe, 13.10.2011)