Die Gruppe "Bilderwerfer" bringt reale Personen ins Internet. Menschenkörper machen Präsenzdienst im Netz: ppp.bilderwerfer.com

Foto: Graz2003
Graz - Differenz als Qualität und nicht als Stigma: Das Grazer work in progress sinnlos - die kunst, die körper, die fremdkörper verfolgt nicht weniger denn das Etablieren einer egalitären Gesellschaft. Weil: "Die scheinbar simpelsten Erkenntnisse sind oft die Nachhaltigsten: Dem eigenen Körper entkommt im Leben keiner."

Und demnach ist sinnlos auch kein Behindertenprojekt, eher schon ein Ideen- pool für alle Menschen, über die Strategien von Behinderung und Verhinderung im täglichen Leben nachzudenken, Behinderung als soziales Konstrukt durch Nichtbehinderte zu erkennen.

Wieder einmal wird also versucht, "neues" Denken und Handeln zu etablieren. Die Kulturhauptstadt sollte ein Möglichstes an Aufmerksamkeit garantieren. Für teils simple, teils (ob des notorischen Unwissens der "Normalen") überraschende Projekte. Nahe liegend ist da noch die Kleberaktion, die öffentliche Gebäude auszeichnet, die zu betreten für behinderte Menschen schlichtweg sinnlos, weil - ob fehlender Infrastruktur - unmöglich ist. Wolfgang Temmel hat sich in Graz umgesehen, wo statt der geläufigen "Do not enter"-Gebote, ein "Can not enter" angebracht wäre: Betreten sinnlos, Architektur verhindert Nutzung!

Weit erstaunlicher ist da schon die Tatsache, dass Gehörlose gerne tanzen. Der Künstler Wolfgang Georgsdorf möchte dieses Wissensdefizit in Zusammenarbeit mit dem Österreichischen Gehörlosenbund mit einem Deaf Dance Deaf Slam egalisieren:

"Gehörlose tanzen. Sogar sehr. Und gern. Bewegung, Musik und Rhythmus liegen in der Natur der Sprache der Gehörlosen. Es gibt kaum ein Gehörlosenfest, bei dem nicht auch getanzt wird. Wer einmal gesehen hat, wie sich Gehörlose bei 120 dB im Stroboblitz tanzend in ihrer eigenen Sprache entspannt austauschen, witzeln, philosophieren, wird sich nicht mehr fragen, was die am Dancefloor suchen. 'Hören' ist zweierlei. Auch Hörende sollten sich die Party nicht entgehen lassen, so etwas werden sie nicht oft erleben. Es ist ein Fest für alle."

Ein Fest mit fetten Beats, mit HipHop, Rap, Drum&Bass und Jungle. Ein Fest, das sensiblen Hörenden allerdings ziemlich an die Trommelfelle gehen könnte. Doch Wolfgang Georgsdorf hat vorgesorgt: Beim Eingang zum Event am 7. Juni ab 22.30 Uhr im Dom im Berg steht ein Bienenwachsklotz bereit, aus dem sich gut Ohrenstöpsel basteln lassen. Die DJs für die fühlenden und die hörenden Tanzwütigen heißen: Gebain, ToniMaroni, Cheever und Dero. Dazu bieten Deaf Spots - auch auf diversen Grazer Videowalls - "Fenster in die weithin unbekannte Welt der Gebärdensprache", mit der immerhin etwa 1,5 Promille der Weltbevölkerung kommunizieren.

In die Welt der Sehbehinderten führen talking crosswalks : Künstler rund um den Erdball wurden eingeladen, die Geräusche der Blindenampeln aufzunehmen und aus diesem Material kleine Kompositionen zu fertigen. Maximal 150 Sekunden lang dürfen die "elektronischen Postkarten" sein, die zunächst via Ö1 und später von CD aus die Gehörgänge erobern sollen. (DER STANDARD, Printausgabe vom 31.5./1.6.2003)